Freitag, 27. September 2024

„The Prime of Miss Jean Brodie“ (1969) - Zum Tode von Dame Maggie Smith




Heute in den frühen Morgenstunden schloss Dame Maggie Smith, Dame Commander of The British Empire, für immer ihre Augen. Viel werden an diesem Tag über ihre große Rolle als Minerva McGongal in der „Harry Potter- Filmreihe“ schreiben und das zu Recht; sie werden über ihre Countess Dowager in „Downton Abbey“ schreiben.


Maggie Smith tröstet Emma Watson am letzten Drehtag der Harry-Potter-Reihe.




Aber: Maggie Smith war mehr, viel mehr. In den 71 Jahren ihrer langen Karriere brillierte die hochbegabte Ausnahmeschauspielerin in mindestens 77 großen Bühnenproduktionen (zwischen 1952 und 2019), trat in mehr als 80 Filmen auf, gewann 2 Oscars (Beste Hauptdarstellerin 1970 für „The Prime Of Miss Jean Brodie“ und als Beste Nebendarstellerin für „Das verrückte California Hotel“ 1978), sieben Mal den Britischen Filmpreis (darunter zweimal für das Lebenswerk, viermal als Beste Hauptdarstellerin und einmal als Beste Nebendarstellerin), 3 Golden Globes, 4 Emmys, einen Tony Award am Broadway und 5-mal den Britischen Theaterpreis (1962, 1970,1982, 1984 und 1994). Sie erregte im Kino erstmals Aufmerksamkeit in der Rolle der scheuen Sekretärin Rod Taylors, die über sich hinauswächst in „Hotel International“ 1963 und feierte ihren großen Durchbruch 1965 in Theater und Kino-Film am Londoner National Theatre als Desdemona in Laurence Oliviers – rassistischem – Othello (Olivier kündigte ihren Vertrag als sie bessere Rezensionen erhielt als er selbst) und stellte 1967 in „Venedig sehen - und erben“ eine ganze Starriege in den Schatten, in der Perfomance als unterdrückte persönliche Assistentin die letztlich triumphal….aber das will ich hier nicht verraten.

Sie brillierte auch furchtlos in satirischen Produktionen und Komödien, sang und tanzte mit ihrer engen Freundin Carol Burnett, sogar in deren amerikanischer Variety – Show und veredelte nebenher 2 hochkarätige Agatha-Christie-Verfilmungen der 70iger und 80iger Jahre.





Und die privat schüchterne und zurückhaltende junge Frau war 1969 nicht nur, in Ingmar Bergmans legendärer Inszenierung in London, „Hedda Gabler“, sondern eben auch….Miss Jean Brodie…. und was für eine ungeheure Tour De Force das war!

Diesem Film ist nachfolgende Besprechung gewidmet…







“I am dedicated to you in my prime. And all of my girls are the creme de la crème. Give me a young girl at an impressionable age and she will be mine – for life”

Jean Brodie




Maggie Smith war schon einmal, vor Prof. Minerva MacGonagall, als Lehrerin auf der Leinwand zu sehen. Das war 1969 in „Die besten Jahre der Miss Jean Brodie“, der in englischer Sprache komplett auf youtube steht. Für ihre spektakuläre Darstellung wurde sie 1970 mit dem Oscar als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.

Der Film ließe sich treffend als eine britische Mischung aus „Mädchen in Uniform“ und „Club der toten Dichter“ mit bösem Twist beschreiben.

 

Edinburgh, Schottland, 1930er Jahre:

An der renommierten, stockkonservativen Mädchenschule „Marcia Blaine School for Girls“ unterrichtet die junge Jean Brodie (umwerfend: Maggie Smith) – ein schillernder, so charismatischer wie egozentrischer Freigeist und theatralischer upper-class-Snob in Persionalunion, überlebensgroß in jeder Geste.

Einige Schülerinnen gehören zu ihrem engeren Zirkel den „Brodie Girls“ darunter ihre, scheinbar, naive Lieblingsschülerin Sandy (fantastisch: Pamela Franklin in ihrer ersten erwachsenen Rolle).

Der reaktionären Schulleiterin Miss Mackay (superb: Theaterstar Dame Celia Johnson in ihrer letzten Filmrolle) ist die innerlich zutiefst zerrissene Brodie ein Dorn im Auge, mit dem unkonventionellen Kunstlehrer Teddy Lloyd (Smith‘s damaliger – gewalttätiger – Ehemann Robert Stephens) verbindet sie eine toxische on-off-Affäre und mit dem gutmütigen Musiklehrer Mr. Lowther (Gordon Jackson) spielt sie sich nach Belieben.

Schnell erkennt man dass die skandalumwitterte Miss Brodie, eine leidenschaftliche Ausnahmepädagogin, einen etwas zu großen Einfluss auf ihre Zöglinge, um nicht zu sagen Protegés ausübt, doch erst mit dem Aufstieg der Faschisten Franco und Hitler, der zu einer Vorliebe Brodies für heroisch verklärte faschistoide Diktatoren führt, und als sie deshalb den Tod einer Schülerin und die, von ihr manipulativ herbeigeführte, Affäre einer anderen mit Mr. Lloyd zu verantworten hat, besiegelt die junge Frau ihr eigenes Schicksal – sie wird von ihrer Lieblingsschülerin verraten….



Diese von Ronald Neame („Die Akte Odessa“, „Die Höllenfahrt der Poseidon“) inszenierte Verfilmung der Bühnenadaption des gleichnamigen Romans von Muriel Spark hat viel Positives: Das Drehbuch von Jay Presson Allen („Marnie“, „Cabaret“, „Funny Lady“, Deathtrap“) die hier ihr eigenes Stück von 1966 adaptierte ist hervorragend, dialogstark und komplex; die Filmmusik von Rod McKuen (Komponist der „Peanuts“-Kinofilme) ist hervorragend, einschließlich des Film-Songs „Jean“.

Titelmusik: 




Song „Jean“: 




Die Kamerarbeit des Kameramanns der klassischen Bond-Filme (bis „Der Mann mit dem goldenen Colt“) Ted Moore, Oscarpreisträger für „Ein Mann zu jeder Jahreszeit“ ist blendend, und fängt zusammen mit Kostüm- und Produktionsdesign perfekt Milieu und Atmosphäre der Zeit ein.

Dennoch würde der Film nicht funktionieren ohne die famosen Darstellerleistungen:


 
Maggie Smith und Pamela Franklin.



Die hypnotische Leistung der jungen Pamela Franklin, die den Bogen ihrer Figur von naiver Streberin zu abgründiger Rächerin großartig meistert, von Dame Celia Johnson die ganze Welten mit einem einzelnen, winzigen Blick erzählen kann und die Figur der ultrakonservativen Schulleiterin mit einer bewunderungswürdigen Ambivalenz ausstattet, die es schwer macht sie zu verurteilen; und Maggie Smith, die ihre fast unspielbare Figur – die in ihrem extrem gekünstelten Auftreten völlig wahrhaftig ist - , mit antrainiertem schottischen Akzent, in einem virtuosen schauspielerischen Bravourakt zu einer der eindrucksvollsten Darstellungen macht, die je eine Schauspielerin auf der Leinwand gezeigt hat. Ihre Bandbreite raubt einem streckenweise den Atem.

So zum Beispiel in dieser Schlüsselszene, in der sich Brodie ihres ersten Kündigungsversuchs entzieht:



 

Alle drei Schauspielerinnen wurden ausgezeichnet:

Franklin erhielt den Kritikerpreis des National Board of Review als Beste Nebendarstellerin, Maggie Smith und Celia Johnson wurden mit dem britischen Filmpreis als Beste Haupt- und Nebendarstellerin ausgezeichnet; die in erster Linie als Bühnenschauspielerin bekannte Smith erhielt darüber hinaus 1970 in den USA, wo sie bis dato nie gedreht und nicht einmal einen eigenen Agenten hatte, für ihren 8. Film und ihre zweite Kinohauptrolle, völlig überraschend, doch hochverdient, den Oscar als Beste Hauptdarstellerin.(stellvertretend entgegengenommen von Alice Ghostley: https://www.youtube.com/watch?v=MB0cEu13C0k&ab_channel=Oscars)

 
Maggie Smith 1978 mit ihrem zweiten Oscar.



Dieser Film setzte ihren Namen auf die Landkarte des internationalen Kinos.
 

In der Bühnenfassung spielte übrigens Vanessa Redgrave die Miss Brodie und die junge Olivia Hussey die Rolle der Sandy.

 

Fazit:

Großartige Literatur- und Theaterverfilmung die von ihren fantastischen Schauspieler-Leistungen lebt.

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