Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Dienstag, 30. Juni 2020

"HIER IST EIN MENSCH": DER MANN DER PETER ALEXANDER WAR


Eine Zeitreise in Clips.





Clip von der Aufnahme in die Echo Hall of Fame 2011 mit Götz Alsmann, Michael Mittermeier, Esther Schweins, Udo Jürgens, Gitte Haenning und Jazzmusiker Til Broenner


*



„Der hatte eine Bandbreite, die war gigantisch“ 
 Cornelia Froboess, Schauspielerin & Sängerin

„Egal ob er gesungen hat, oder gespielt hat oder parodiert – er hat mich immer fasziniert“ H.P.Kerkeling, Entertainer 

„Peter Alexander war ein absoluter Superstar, das ist ja heute gar nicht mehr darstellbar“ 
Helmut Thoma, Intendant

„Und ich war sehr nervös….ich dachte: Das ist ja Wahnsinn, ich sitz jetzt hier mit Peter Alexander!“
Harald Schmitt

„Peter war, wie er war. Und er war außerordentlich liebenswert.“
Udo Jürgens.

„Peter Alexander hat mit dem Mikrofon gearbeitet wie vor ihm vielleicht Bing Crosby“
Götz Alsmann,, Sänger, Moderator & Musikwissenschaftler



*


Wer war der beliebteste deutschsprachige Kinostar der Nachkriegszeit? 

Wer war der erfolgreichste deutschsprachige Musikinterpret der Nachkriegszeit?

Wer war der quotenmäßig erfolgreichste Showmaster der deutschsprachigen Fernsehgeschichte?


Stellt man diese drei Fragen, bekommt man heute in der Regel drei verschiedene Antworten.

Meistens sind alle drei falsch.

Die richtige Antwort auf alle drei Fragen lautet: Peter Alexander.



Meine Wiederentdeckung Peter Alexanders, vor einigen Jahren, war eine zunächst Zaghafte.

Ich hatte das Bild des kitschigen Schlager-Sängers (Nicht mein Geschmack!) vor mir, das des Chargeurs in primitiven Musiklustspielen.
(Auch wenn ich für „Peter schießt den Vogel ab“ aufgrund der Ski-Stunts immer ein gewisses Faible hatte)

Die Fernsehshows, die ich als Kind wohl noch gesehen hatte, hatte ich nur vage noch im Kopf.


Dann kamen die DVDs seiner Shows auf den Markt und ich konnte, nicht ohne Neugier, da wieder hinein schnuppern – und mir gingen die Augen auf. Ich sah, was für eine außerordentliche Begabung er gewesen sein musste.

Es war der Beginn einer Wiederentdeckung, in der ich realisierte, dass Alexander gar kein „Schlagersänger“ in unserem heutigen Sinne war, sondern ein deutschsprachiger musikalischer Allrounder mit erstaunlicher Bandbreite, der, gelegentlich, für sein Publikum, auch Schlager sang – jedoch virtuos Interpretierte.

Ich sah dann verschiedene Interviews in denen „der Mann der Peter Alexander war“ mich mit seiner sehr scheuen Ehrlichkeit beeindruckte, und aus denen hervorging, dass er die heile Welt seiner Filme, Lieder und Shows als bewusst erzeugte Illusion ansah, als künstlerisch-künstlich hergestellten Eskapismus, als das, wofür er seine Kunst einsetzte, weil es seiner Neigung entsprach.

Das stellte für mich eine gewisse künstlerische Integrität der Person her.

Und so wuchs meine Wertschätzung.

In der, nun unvoreingenommeneren, Beschäftigung mit seinem Werk, begegnete ich bald einem Showtalent, wie es, im deutschsprachigen Kino und Fernsehen, einzigartig war.

Und es ist dieses Showtalent das ich heute feiern will.


*


Peter Alexander Neumayer, 1948 Absolvent des renommierten Reinhardt-Seminars in Wien, wollte, als klassisch ausgebildeter Schauspieler, nach dem Abschluss eigentlich ein Engagement am Wiener Burgtheater erreichen – es sollte ihm nie gelingen.


Was ihm gelang, war die größte Showkarriere eines deutschsprachigen Künstlers nach dem zweiten Weltkrieg.

Anfang der 50iger sah er Frank Sinatra in London live auf der Bühne, eine Initialzündung – und wusste fortan, was er wirklich sein wollte: Ein Entertainer.

Und auf diese Karriere – in allen ihren vielen Facetten – wollen wir im Rahmen dieses kleinen Essays, dieser Zeitreise in Clips, einen Blick werfen.

Entscheidend für Neumayers einzigartigen Erfolg war seine Ehefrau, die frühere Schauspielerin Hilde Haagen, die er 1952 heiratete und die seine Managerin wurde. Die erfahrene und resolute Haagen, von ihm zeitlebens liebevoll „Schnurrdiburr“ genannt, baute die außerordentliche Karriere des schüchtern-introvertierten Schauspielers maßgeblich auf – und sie gab ihm auch seinen Künstlernamen.

Als „Peter Alexander“ wurde er der erfolgreichste und beliebteste Filmstar in deutscher Sprache in den 50iger und 60iger Jahren.




DER FILMSTAR:





Nach einem ersten Songhit mit „Die Beine von Dolores“ 1951, einem Kurzauftritt in „Die süßesten Früchte“ 1954, wo er den Titelsong im Duett mit der schwarzen Marie Nejar sang, wurde Alexander ab „Verliebte Leute“ (ebenfalls 1954) sukzessive zum Filmstar aufgebaut – beginnend mit zwei Hauptrollen neben (und unter) Caterina Valente in „Liebe Tanz und 1000 Schlager“ (1955) und „Bonjour Kathrin (1956)“. Die prächtigen Revue-Nummern in letztgenanntem Film haben schon beinah Musical-Niveau.

Damals waren anspruchslose Musiklustspiele en vogue: 

Bunte eskapistische Klamotten mit slapstick-artigem Klamauk, meist mit der Prämisse eines Missverständnisses oder einer Verwechslung, einer Liebesgesichte im Kern, und das alles durchzogen mit den neuesten Hits , oder zu Deutsch, „Filmschlagern“, gipfelnd in einem garantierten Happy-End.

Für diese Art von Filmen war Peter Alexander der ideale Darsteller. Schlager- und Operettenfilme (34 Filme in 14 Jahren) mit ihm in der Hauptrolle waren regelrechte Straßenfeger, auch wenn er in Frauenkleidern auftrat oder drei verschiedene Figuren auf einmal spielte.

Seine Vielseitigkeit die ihn sowohl als Slapstick-affinen Komiker als auch als romantischen Liebhaber einsetzbar machte, oft in ein und derselben Rolle, gerne auch mit gewissen Stunt-Einlagen, war ein Alleinstellungsmerkmal. 

 

Sehr schön zu beobachten in den „Graf Bobby“-Filmen. Zwischen 1960 und 1965 schlüpfte Alexander dreimal in die Rolle des Grafen Bobby von Pichulski, lose inspiriert von den klassischen österreichischen Graf-Bobby-Witzen, die eigentlich eine Satire auf die Dekadenz österreichischen Adels in der Post-KuK-Ära darstellten; in zweien der Filme war Bobby aus amourösen Gründen gezwungen sich als Frau zu verkleiden.

In „Die Abenteuer des Grafen Bobby“ erleben wir Alexander, zusammen mit seinem Traum-Partner Gunther Philipp einmal kabarettistisch – beim Couplet-Duett „Graf Bobby Lied“….




….und dann wiederum als reiner romantischer Liebehaber mit „Paris ist eine Reise wert“:




In nicht weniger als 16 anspruchslosen Musikkomödien bildeten Alexander und Gunther Philipp  von 1957-1965 ein Gespann, häufig unter der Regie des legendären Geza von Cziffra. Meistens, nicht immer, spielte der etwas ältere  Allrounder Gunther Philipp, ebenfalls Absolvent des Reinhardt Seminars, den komödiantischen Side-Kick zu Peter Alexander. Ihr Timing ergänzte sich perfekt, der Humor war ähnlich, beide hatten einen professionellen Anspruch in Filmen, die ihn häufig selbst nicht hatten, und entwickelten so eine private Freundschaft, die ihrem Zusammenspiel eine besondere Chemie verlieh, die nicht ohne weiteres kopierbar war.

Dabei gilt die Vokabel „anspruchslos“ in erster Linie für die Anforderungen  an den Zuschauer, nicht notwendigerweise für die Herstellung der Filme.


Wenn Peter Alexander z.B. in seiner Solo-Arbeit  „Liebe, Jazz und Übermut“  in einem kleinen Musik-Cabarét die Nummer „Das ganze Haus ist schief“ singt, wird sofort deutlich warum er andere deutschsprachige Musikinterpreten jener Jahre von vornherein haushoch überragte:
Er spielte den Song, statt ihn nur zu singen.
Er interpretiert ihn wie einen kleinen komödiantischen Monolog und setzt dabei, weil er es als hervorragend ausgebildeter Absolvent des Reinhardt-Seminars kann, seine ganze Körperlichkeit ein:





Noch deutlicher, werden seine körperlichen Fähigkeiten, seine physische Durchlässigkeit in dieser köstlichen Slapstick-Szene (bei  1 Stunde 7 Minuten) aus „Wehe wenn sie losgelassen“ von 1957 – eine Schnurre die man ansonsten getrost vergessen kann. Alexander spielt den Bandleader Peter Holunder der auf dem Weg zu einem Musikwettbewerb ist, und dabei versehentlich mit einem legendären Meisterpianisten verwechselt wird, eine Verwechslung die nur Ruth Stephan und die – noch unbekannte – Brigitte Mira im Publikum bemerken.

Was Alexander aus dieser Verwechslung macht hat praktisch „Laurel & Hardy“ Niveau.
Und: Er spielt hier tatsächlich selbst Klavier. Peter Alexander war, was Wenige wissen, ein Klaviervirtuose – obwohl er nie auch nur eine einzige Klavierstunde genommen hatte. Er war kompletter Autodidakt:




Seine umwerfenden parodistischen Fähigkeiten, die in seiner späteren Show-Laufbahn ihren Höhepunkt finden sollten, setzte er bald auch im Kino ein.  So zum Beispiel in „Das süße Leben des Grafen Bobby“, wo er, in einer Szene im Mädchenpensionat,  Graf Bobby ist dort als Gouvernante verkleidet untergekommen, eine satirische kleine Zarah-Leander-Parodie gibt:






Ein Mann und sein "Schnurrdiburr"
Viermal spielte Alexander, weil sein sehr breites musikalisches Spektrum es zuließ, auch in Operettenverfilmungen,  die allerdings Drehbuch-technisch ganz auf ihn zugeschnitten wurden:  „Im  weißen Rössl“ (1960),  „Saison in Salzburg“ (1961), „Hochzeitsnacht im Paradies (1962)“, „Die Fledermaus (1962)“ und „Die lustige Witwe (1962)“.

Rein schauspielerisch sind dies seine interessantesten Arbeiten.

Die folgende Nummer aus „Im weißen Rössl“ ist sogar dann beeindruckend wenn man die Hintergründe nicht kennt. Kennt man sie  - ist sie verblüffend!  Das Lied „Aber meine Herrschaften!“ ist eines der vielen legendären Kabinettstückchen für die Rolle des Zahlkellners Leopold Brandmeyer – einer Rolle zu deren Ideal-Interpreten Alexander gerechnet wird. Nun gibt es hier eine ziemlich komplexe kleine Choreografie, in der Leopold beim Abkassieren hin- und herspringt, tanzt, stolpert, zwischen den Gästen herum klettert.

Der Regisseur des Films war Schnulzenfachmann Werner Jacobs, der später „Heintje“ über das deutsche Kinopublikum brachte, und der hasste es Einstellungen zu wiederholen. Bei ihm wurde, nach den Proben,  alles nur ein einziges Mal- in einem Take - gedreht.  Und wenn Fehler drin blieben – Pech.


Hier spielte Alexander den kompletten Parcours am Stück durch, parallel gedreht mit 3 verschiedenen Kameras in 3 verschiedenen Brennweiten, und zwar nur ein einziges Mal. Was wir hier sehen, konnte Peter Alexander auf Anhieb (!) abliefern und unter dem Druck, das nicht wiederholt werden konnte. Bedenkt man aus wie vielen einzelnen Handlungen und Bewegungen der Ablauf besteht, ist das schier unglaublich:





Einen gewissen Eindruck, von dem, was unter anderen Umständen hätte sein können, verschafft uns die Nummer „Es waren zwei Königskinder“ aus der lustigen Witwe. Ein ganz und gar ernster, fast zynischer Danilo begegnet uns da in Peter Alexander und lässt dramatisches Talent erahnen:





Im selben Film, zeigt er sich aber uns – und Musicalstar Karin Hübner („My Fair Lady“) -  auch wieder ganz klassisch als romantischer Liebhaber,mit „Lippen schweigen“:





Noch mehr Aufschluss gibt uns dieser vergnügliche Ausschnitt (bei 1 Stunde und 3 Minuten) aus „Hochzeitsnacht im Paradies“, ebenfalls von 1962, in dem sich Dr. Ulrich Hansen (Alexander) in einem Hotel in Venedig, aus lauter Liebeskummer zusammen mit dem Portier hemmungslos zusäuft. 

Wie Alexander und  Rudolf Carl, einer der erfahrensten Chargendarsteller des österreichischen Films, sich hier gegenseitig die Bälle zuspielen und reinsteigern, ist in der Präzision bestechend.  Vor allem, wenn man weiss, wie schwierig es ist, diese verschiedenen Stufen des Betrunkenseins so exakt und dabei so stilisiert zu zeichnen ohne einfach nur zu überziehen:



Es gehört zur Tragik von Peter Alexanders Filmkarriere, dass selbst auf ihrem Höhepunkt, das deutsch-österreichische Kino nicht in der Lage war, ihm Drehbücher oder Regisseure zu bieten, die sein großes Talent wirklich bis zum Anschlag ausgereizt hätten. Selbst musikalisch unterforderte man ihn zuweilen.


Diese  schwungvolle Gesangsnummer, „Johnny One-Two Three“, aus der mäßig geglückten Westernkomödie „Graf Bobby – der Schrecken des Wilden Westens“, Alexanders fünftletztem Kinofilm,  liefert ihm eine seltene Gelegenheit erkennen zu lassen, dass seine Fähigkeiten durchaus dem Niveau und Anspruch einer Broadway-Bühne entsprachen.  Von der Regie – Paul Martin – kann das nicht gesagt werden, die Statisten sind beinah un-choreografiert:





Wahr ist, dass die Kinofilme Peter Alexander zwar in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Star machten, aber schablonenhaft und oberflächlich angelegt, bestenfalls in der Lage sind einen gewissen, eindimensionalen, Ausschnitt  von Alexanders Persönlichkeit und Begabung abzubilden. Er war erkennbar unterfordert.

Die besten unter diesen Musiklustspielen sind vielleicht vergnügliche, bunte, Heile-Welt-Schnurren die durch ihren altmodisch-naiven Heile-Welt-Charme, ihren ungehemmten Klamauk, einem durchaus einen vergnüglichen Abend bereiten können – wenn sonst nichts läuft.  Alexander machte sie erträglich, als Sänger, Parodist, Komiker. Aber vom Schauspieler Peter A. Neumayer zeigten sie eigentlich zu wenig.



DER SÄNGER:



Seine außerordentliche musikalische Begabung als Sänger machte ihn mit über 50 Millionen Tonträgern  zum meistverkauften deutschsprachigen Musikinterpreten der 50iger bis tief in die 90iger Jahre, sogar über seinen Tod hinaus; niemand, der auf Deutsch sang hatte mehr Nummer eins Hits, niemand war öfter in den Top Ten (55 mal), niemand öfter - 459 mal-  in den Charts, niemand länger (144 Wochen), niemand erreichte mehr Platin-Schallplatten.

 „Sechs Jahrzehnte in deutschen Charts -  Peter  Alexanders Langzeitkarriere als Sänger  ist in dieser Form einzigartig“ heißt es in einer bewegenden Doku von 2016.


Bereits in den frühen 60iger Jahren erwies sich das deutschsprachige Musikrepertoire für Alexanders Spektrum und Talent als deutlich zu klein, also wurden englischsprachige Welthits auf Deutsch gecovert.

So interpretierte Peter Alexander, nach Nat King Cole und Frank Sinatra das oscar-prämierte „Love Is A Many Splendored Thing“….




….oder , 1964, Cole Porters „I love Paris“…



Schon in den 60igern war Alexanders Repertoire also ungewöhnlich breit. Beispielsweise nahm er gleich zwei Querschnitte legendärer, damals noch brandaktueller, Musicals auf, nämlich „Kiss Me Kate“ als Frederick Graham/Petrucchio, in einer Schallplatten-Produktion mit Olive Moorefield, die in Wien die erste schwarze Lilli Vanessi/Kate gesungen und gespielt hatte. Dabei interpretierte er, mit ungewohnt erotischen Untertönen, unter anderem das Ensemblestück „Too Darn Hot“ (S’ist viel zu heiß):



1962 entstand eine der interessantesten Aufnahmen, nämlich ein Querschnitt (mit kurzen Sprechsequenzen) aus „My Fair Lady“, das im Jahr zuvor seine deutsche Uraufführung in Berlin gefeiert hatte. Peter Alexander gab Higgins. 

Und diese Interpretation eines jüngeren, giftig-garstigen Prof Higgins ist in der Tat hochinteressant. Man beachte die breite Palette die er hier z.B. in „Let a woman in your life“ (Lass ein Weib an dich heran) mit scheinbarer Mühelosigkeit abruft:




(Der Komplette Querschnitt ist hier zu finden:

1968 coverte Peter Alexander gleich zwei  internationale Hits. Der Eine war „Help yourself“ von Tom Jones (der später auch in der Peter-Alexander-Show zu Gast war), der auf Deutsch  sinnigerweise „Komm und bedien dich bei mir" hieß.

Alexander hatte bereits mit der deutschen Version von Jones‘ „Delilah“ einen Riesenhit gelandet, und bringt hier, mit spezifisch weanerischem Schmelz, ein vor Energie sprühendes Ständchen an eine blutjunge Hannelore Elsner- der Film war „Die Lümmel von der ersten Bank- Teil 2“






Der andere war „Honey“ von Bobby Goldsboro, ein absoluter Nummer Eins –Hit in England, und, dank der Cover-Versionen von Dean Martin und Andy Williams, auch in den USA. 

Peter Alexander interpretierte den Song im Original-Arrangement auf Deutsch, und zeigte hier erneut seine interpretatorische Überlegenheit aber auch den stimmlichen Umfang, die Versatilität für diesen Song….wenn wir einmal über das, für heutige Hörgewohnheiten, kitschige Arrangement hinwegsehen, erwartet uns  ein melodisch wunderschöner, todtrauriger Song, den Alexander wie einen musikalischen  Monolog durcherlebt.

Ein Song der für Alexanders Leben Jahrzehnte später fürchterliches Schicksal werden sollte. Als Hilde Alexander am 30. März 2003 starb, wurde das Szenario, das beschriebene Nachleben eines einstmals gemeinsamen Lebens, für den gebrochenen Witwer zur Realität….ohne seine „Schnurrdiburr“ war alles nichts….




Alexanders Repertoire, das vom Volkslied über Schlager, Chansons, Popmusik, Rock & Jazz (leider selten), Swing, über Musical-Einspielungen bis zu Operette und Oper reicht, war natürlich mit diesem reizvollen Edel-Schmachtfetzen weder erschöpft noch hinreichend beschrieben.


Er beherrschte auch melancholische Balladen a la Gilbet Becaud oder Aznavour, wie diese, der Stilistik der ausgehenden 70iger entsprechende, musikalische Erzählung:




Und auch ernsthafte,moderne  Chansons, mit Sprechgesang-Anteilen, wie  1979 diese deutsche Fassung von Kenny Roger’s „She believes in me“, waren nur ein Ausschnitt seines Könnens:





In den 80igern zeigte Alexander,  neben (virtuos interpretierten) Schnulzen, auch  eine besondere Vorliebe für fröhliche, humoristisch angelegte Lieder, in denen er  sein komödiantisches Talent und seine ganze Körperlichkeit einbringen konnte. 

Man kann förmlich sehen, wie ihm das Spaß macht. Wie hier zum Beispiel in einer Ausgabe der erfolgreichen Spielshow „Dalli Dalli“ von und mit Hans Rosenthal – mit „immer auf die Kleinen“ , einem Lieblingssong von Beatrice Egli:



Ganz ähnlich war es 1981 mit „Der Papa wird’s schon richten“, ein Gute-Laune-Song der dem leidenschaftlichen Familienvater direkt auf den Leib geschneidert war. 

Ob er dabei auch einige Jahre zurückdachte, als er seine Tochter wegen Marihuana-Konsums von einer Wache im ersten Wiener Bezirk hatte abholen müssen?

Ähem.
Wir wissen es nicht.


Auffällig ist, gerade bei diesen sehr fröhlichen Nummern, dass sie bei Alexander nie aufdringlich, gezwungen oder ordinär wirken, einfach weil er sie so füllt, dass sie völlig authentisch wirken….jedenfalls solange die entsprechenden Lieder aus seinem Mund kommen. Man glaubt ihm das alles, und er sprüht vor Charme, während man ihm das alles glaubt:




Aber Alexander konnte auch Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit in reduzierter Form, wie bei dieser bewegenden und ungewöhnlichen Chanson-Nummer von 1976  (eine leicht gekürzte Version aus einem Live-Konzert in Köln)…hier ist gar nichts mehr mit Hump-ta-ta, hier erleben wir einen, mit großer Innerlichkeit performten Song, in dem Alexander internationalen Vorbildern wie Dean Martin sehr nahe kommt.






Ein Hauptgrund dafür dass Peter Alexanders Karriere als Musikinterpret überhaupt sechs Jahrzehnte überspannen konnte, lag neben dem Umstand, dass er sich bis ins fortgeschrittene Alter einen jungenhaften Charme und damit auch  Jugendlichkeit  bewahren konnte, in seiner Fähigkeit, sich stets neu zu erfinden, neue Musik zu entdecken, Neues auszuprobieren (solange es nur auf  Deutsch war), dadurch wurde und blieb er für immer neue Generationen von Hörern und Zuschauern relevant und interessant.

Er sang Barry Manilows „Mandy“….




….lieferte eine virtuos sanfte Fassung von Stephen Sondheims “Send In The Clowns” (ursprünglich geschrieben für Glynis Johns, aus dem Musical "A Little Night Music" basierend auf Ingmar Bergmans Film "Lächeln einer Sommernacht")….





….und von Bette Midlers „The Rose“:







Seine größte Leidenschaft waren und blieben aber Jazz und Swing. Leider konnte er in diese Gefilde nur selten einen Ausflug unternehmen, weil sie nicht recht zur offiziellen Bühnen-Persona „Peter Alexander“ passten….aber ab und an ergab sich eine Möglichkeit wie bei diesem coolen, enorm rasanten Swing-Medley dass er in den späten 80igern in einer Ausgabe von „Willkommen im Club“ im Duett mit seinem hochbegabten Showmaster-Kollegen Harald Juhnke abfeuerte:





Dabei war Alexander sowohl als Sänger als auch als Pianist ein reiner Autodidakt (!), Zeugnis einer musikalischen Ausnahme-Begabung.


Gerade  Letzteres erscheint einem beinahe unglaublich, wenn man sich z.B. die gelegentlichen Klavier-Duette und –Nummern in der späteren „Peter Alexander-Show“ ansieht, wo man einen wahren Virtuosen mit schier endloser Bandbreite  beobachten konnte, der sich zum Beispiel hier einen grandiosen Widerstreit mit Udo Jürgens liefert:



Ein Höhepunkt war sicher Alexanders Klavierduett anlässlich einer Gala zum 90. Geburtstag von Komponisten-Legende Robert Stolz,  des bedeutendsten Songwriters Österreichs (und während der Nazi-Zeit Regime-Gegner und Judenretter), im Jahre 1970.
Erstaunlich swingige Arrangements!


Sein Partner, am anderen Flügel, war niemand anderes als der greise Robert Stolz höchstpersönlich – noch immer voller Schmäh und Energie:





Noch seltener konnte man Alexanders Talent als Jazz-Pianist bewundern,  weil auch diese Seite vor der Öffentlichkeit geheimgehalten werden sollte; aber ich habe hier einen Ausschnitt ausfindig machen können, der zeigt, was auch dort in ihm steckte.

Es handelt sich um eine Zugabe während eines Live-Konzerts in Dortmund, 1984. Alexander nimmt das bekannte Volkslied „Du, du liegst mir am Herzen“ , wandelt es in einen Jazz-Standard und jamt los, mit der Band.

Laut Til Brönner, bewegte sich Alexanders Können als Jazzpianist auf dem Niveau von Größen wie Errol Garner:






DER SHOWMASTER:



1969 bis 1996 war er der erfolgreichste Show-Entertainer des deutschsprachigen Fernsehens, seine „Peter Alexander Show“, eine aufwendige musikalische Variety-Show nach US-Vorbildern wie Dean Martin oder Carol Burnett,  erreichte selbst für damalige Verhältnisse fast unvorstellbare Eischaltquoten von bis zu 79%, sie wurde durchschnittlich von über 34 Millionen Menschen gesehen – solche Sehbeteiligungen gab es selbst in den 70igern sonst nur bei Endspielen der Fußballweltmeisterschaften.  Die höchsten je gemessenen Zuschauerbeteiligungen in Deutschland (1973) und Österreich (1991) waren jeweils die einer „Peter Alexander Show“.

Die Idee zu dieser Show, stammte von TV-Produzent Wolfgang Rademann, dem späteren „Traumschiff“-Erfinder,  weil er ein Format suchte, dass es mit den Amerikanern aufnehmen konnte, und zugleich den Fähigkeiten Peter Alexanders eine ideale Bühne vor einem Millionenpublikum bot.


Jemand der singen, tanzen, Instrumente spielen konnte, als schauspielerisch ausgebildeter Komödiant einen idealen Sketchpartner abgab, und auch noch sensationell parodieren konnte, war der ideale Host für eine Variety –Show.

Von 1969 abgesehen, entstand pro Jahr nur eine einzige Ausgabe, die mehr als 6 Monate in Vorbereitung war (unter anderem weil stets Gesangs- und Musiknummern für Alexander und seine Gäste eigens getextet und teils auch komponiert werden mussten),  und für die Alexander, dank seiner Ehe-Managerin, damals unerhörte Gagen erhielt,  hohe 6-stellige Beträge pro Ausgabe.

War die Show in den Anfangsjahren nur mit deutschsprachigen Stars gespickt, wurde sie ab Ende der 70iger internationaler und bot Weltstars wie Tom Jones, Montserrat Caballé, Johnny Cash, Richard Chamberlain, Larry Hagman, Joan Collins und Liza Minelli auf.


Die Musiknummern waren teils außerordentlich komplex. Beispielsweise hier diese bemerkenswerte 10 minütige Nummer, „Ein Lokal mach mer auf“ , aus der Ausgabe von 1971. Es ist ein langes Duett mit dem Schweizer Sänger und Moderator Vico Torriani (im bürgerlichen Leben auch Hotelier). Das ist genau die Art choreographierter Musikeinlagen die vorher sehr lang und ausführlich geprobt werden mussten, und die Show so aufwendig machten.

 Man beachte wie stark Torriani da ins Schwitzen kommt:




In derselben Ausgabe – unmittelbar im Anschluss – durfte Torriani dann ausruhen, während Peter Alexander direkt weiter spielte und sang, nämlich eine aufwendige 11-minütige Kurzfassung der Höhepunkte aus „Im weißen Rössl“  (mit Szenenausschnitten) – das ist schon rein konditionell beachtlich, geschweige denn inhaltlich.


Alexander singt und tanzt fast eine Sitcom-Länge (21 Minuten) ohne große Verschnaufpause durch – das muss man erstmal nachmachen!



Fester Bestandteil waren auch Medleys zu denen oft neue Texte geschrieben wurden, wie z.B. hier 1969 ein „Frauen-Medley“…eine über 5-minütige Sequenz bestehend aus allen Alexander-Songs mit Frauen-Namen im Titel. Mühelos  vollzieht Alexander den Wechsel von Stimmungen, Rhythmus und Tonarten:



Ein weiterer Bestandteil der Shows waren auch immer Sketche, wie z.B. dieser Klassiker über das gefährliche "U-Syndrom", in dem Alexander fast aus der Rolle fällt:




Immer wieder waren auch satirisch-kabarettistische Kabinettstückchen aus klassisch-österreichischer Brettl-Kunst, in der Tradition zurückgehend oft bis zu Qualtinger, eingebaut.  Ein Musterbeispiel ist die extrem rasante „Tratsch-Polka“ (nicht vom Namen abschrecken lassen). 

Es ist genau die Art von Gesangsnummer für die man ein Schauspiel-profi mit Gesangstalent sein muss – weil man sie pointiert  spielen muss, nicht nur singen, und im Singen die Atemtechnik haben, um dabei nicht zu ersticken:






Auch vor englischer Sprache schreckte Alexander keineswegs zurück, wie auch, als Verehrer von Frank Sinatra und Dean Martin, nur durfte er es der deutschen Öffentlichkeit nur sehr selten beweisen. 

Hier, 1981, im Duett mit dem Jahrhundert-Wagner-Tenor Peter Hofmann, hatte er die Gelegenheit.

Hofmann war damals einer der ersten, wenn nicht der Erste, Superstar der Klassik der das Crossover in die moderne Unterhaltungsmusik wagte, was ihn seinerzeit beinah die Karriere kostete. Den beiden Vollprofis könnte man bei ihrem „Evergreen-Medley“ unbegrenzt zusehen:




In jeder „Peter-Alexander-Show“ gab es immer auch Gelegenheit für den Host seine unglaublichen parodistischen Fähigkeiten zu zeigen.  Nicht zu Unrecht nannte ihn kein Geringerer als Rudi Carrell den „größten Schauspieler-Imitator aller Zeiten“.


Zunächst, in den älteren Ausgaben, waren diese Nummern im äußeren Aufwand noch relativ schlicht, hier eine kleine Zusammenstellung….




…..später enorm elaboriert und mit, für die Zeit ,ungeheurem Trick- und Makeup-technischem Aufwand. Denn Alexander beschränkte sich nicht mehr darauf einzelne Prominente perfekt zu persiflieren und parodieren, sondern ging in Sphären die nach ihm niemand mehr erreichte.



Dieser Bravourakt von 1985 z.B, ist bis heute unerreicht. In dieser Persiflage der damals sehr populären ZDF-Rateshow „Was bin ich“ spielte Alexander nicht nur den (weiblichen!) Gast, dessen Beruf erraten werden musste, sondern imitierte auch in Stimme, Gestus und Make-Up perfekt den Moderator Robert Lembke sowie das komplette (!) prominente Rate-Team, und das alles auch noch singend!
(leider nicht in besserer Qualität online)




Noch virtuoser ist er hier zu sehen. In einer Persiflage der legendären ORF-Serie „Ein echter Wiener geht nicht unter“ (dem österreichischen Pendant zu „Ein Herz und eine Seele“), um den grantelnden Wiener Edmund „Mundl“ Sackbauer, gespielt von Karl Merkatz,  parodiert er diesen so brillant, dass man denken könnte, es handele sich gar nicht um eine Parodie, sondern den Echten – das heißt, bis der echte „Mundl“ aus der Kulisse auftritt…






Legendär wurde auch diese Nummer von 1994.  Hier parodiert Alexander gleich das ganze englische Königshaus: König Elisabeth, Prinz Charles, Lady Di und Queen Mum – singend! 

Dieser Auftritt schlug so ein, dass das echte britische Königshaus eine Kopie der Aufnahme vom ORF anforderte. Elisabeth II. soll sich wahrhaft königlich amüsiert haben.

Es lohnt sich übrigens dran zu bleiben, denn der Clip geht noch weiter – direkt darauf schwenkt Alexander zurück zur ernsten Ballade „From A Distance“ (Aus der Ferne) von Bette Midler, einfach weil es das war, was er konnte:






Parallel zu seinen Show-Erfolgen entwickelte sich der Sänger Alexander  im Zeitraum von 1969 bis zu seiner letzten Tournee 1991  zum erfolgreichsten Tourneekünstler im gesamten deutschen Sprachraum.  

1975 sahen ihn 450.000 Menschen auf seinen Konzerten in Deutschland, Österreich und der Schweiz . Im Laufe seiner Karriere füllte Alexander die Westfalenhalle in Dortmund mehrmals mit jeweils 12.000 Zuschauern vollends; vierzehnmal die Kölner Sporthalle; 1991 füllte er viermal die rund 10.000 Plätze der Wiener Stadthalle vollständig.


„Peter der Große“ wie Kollegen den Allrounder seit den 70igern halb ironisch, halb ehrfürchtig nannten, erhielt  10 Bambis für seine Showtalente.

Nach dem Tode seiner Frau 2003 zog Alexander sich völlig aus der Öffentlichkeit zurück.


Peter Neumayer starb am 12. Februar 2011. 






“Peter Alexander Ferdinand Neumayer was the Frank Sinatra of the German-speaking world, the most famous Austrian entertainer of the past century” schrieb viennareview 2011 treffend in einem Nachruf.


Erst fünf Jahre nach seinem Tode wurde öffentlich bekannt, dass „der Mann, der Peter Alexander war“, jahrzehntelang als anonymer Spender über die Caritas Österreich enorme Summen für benachteiligte Kinder in Österreich, Kongo und Südsudan gespendet hatte. Er hatte einen Großteil seines Vermögens nicht für sich selbst erwirtschaftet. Es war sein Wunsch gewesen, dass zu Lebzeiten niemand von diesem Engagement erfahren sollte.

Einen Entertainer seines Kalibers hatte es in deutscher Sprache vor ihm nie gegeben.

Und auch nicht nach ihm.


Grund genug sich – trotz abweichenden Musikgeschmacks-  an ihn zu erinnern.

Und sich posthum zu verneigen.
Vor „Peter dem Großen“.