Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Freitag, 14. April 2023

DIE TOP 11 DER BESTEN JACK-THE-RIPPER-FILME

 








Es handelt sich um eines der wohl reizvollsten Sujets der Filmgeschichte, dessen Zutaten schier unwiderstehlich sind: Das nebelverhangene viktorianische London, wo in der Bakerstreet 221b Sherlock Holmes und Dr. Watson die Gurkensandwiches ihrer Mrs. Hudson genießen, während anderswo im Westend Dr. Jekyll seine nächtlichen Experimente wagt; wo im Marktviertel von Covent Garden gerade ein Blumenmädchen namens Eliza ihrem Professor Higgins begegnet, im Haus der Lady Alquist am Thornton Square 9 Dinge wie von selbst verschwinden, und H.G. Wells‘ namenloser Protagonist im Keller seines Hauses an einer Zeitmaschine schraubt….und dann wenden wir unseren Blick ins Londoner Eastend, in den Stadtteil Whitechapel, wo sich, ganz und gar unliterarisch, in der echten Welt eine außerordentlich grauenhafte Mordserie ereignet, wo , vor dem Anbruch eines neuen Jahrhunderts, der monströse Schatten eines einzelnen Mannes, der, bis heute, offiziell, ein von Verschwörungsideologien umwabertes Mysterium blieb, sich über die Gassen und verwinkelten Straßen senkt. Der Schatten eines Mannes der als erster moderner Serienmörder in die Geschichte eingeht: Jack The Ripper.






So jedenfalls nennen ihn später die Zeitungen. Mindestens 5 Frauen (die sogenannten kanonischen Fünf: Polly Ann Nichols, Annie Chapman, Catherine Eddowes, Elizabeth Stride, Mary Jane Kelly) tötete der unbekannte Mann im „Autumn Of Terror“ von 1888 , auf eine Weise, die so erschreckend war, dass sie die Vorstellungswelt einer Zeit und einer Generation durchbrach – nur um danach so geheimnisvoll von der Bildfläche zu verschwinden, wie er auf ihr erschienen war. Für immer, möglicherweise.

Die Mischung musste auch Kino und Fernsehen in den Bann ziehen: Die klassischste, kultigste und, aus kolonialistischer Sicht, prachtvollste Zeit des britischen Empire, in ihr eine unheimliche, spektakuläre Mordserie, wie aus einem Gruselschinken, begangen von einem Phantom- garniert mit einem hohen True Crime Faktor. Alles, was wir heute mit Serienmordfällen in Verbindung bringen war damals bereits erstmals vorhanden: Ein klar umrissener Opfertypus, eindeutiger Modus Operandi, Verstümmelungen, Kommunikation des Täters über unheimliche, teils vermutlich in Blut geschriebene Briefe, Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei, Massenpanik und, auch dies erstmals, ein beispielloses Medienspektakel um die schrecklichen Verbrechen.







Erstaunlich viele der Verfilmungen - von denen der Großteil vor 1988, und somit vor Zugänglichkeit der Originalakten entstand – fiktionalisieren das Geschehen nahezu komplett. Eine Untergruppe wiederum bilden jene Filme und Mehrteiler die auf der Royal Conspiracy Theorie basieren, die durch den Ripperologen Stephen Knight entwickelt und erstmals in dem Buch „Jack The Ripper- The Final Solution“ vorgestellt wurde. Ihr einziger Haken: So reizvoll sie ist – sie ist erwiesenermaßen falsch.





Knights Buch erschien 1976 und es ist daher wiederum kein Zufall, dass die Royal Conspiracy Theory filmisch erst ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre so voll aufschlug, wie sie aufschlug

Häufig sind Verfilmungen des Stoffs ein Desaster mit Ansage, eines Stoffs an dem schon große Namen grandios gescheitert sind, der fast nie den Tatsachen entsprechend verfilmt wird und an dem sich schon bedeutende Regisseure verhoben haben. Gerade deshalb schien mir die hier gefertigte Liste am Platz.

Die nachfolgende Liste nennt die 11 bekanntesten Verfilmungen in absteigender Reihenfolge (Platz 1, Bester, Platz 11 schlechtester Film). Neben filmischen und künstlerischen Kriterien, wird dabei auch die historische Akkuratesse gegebenüber dem wahren Fall gewichtet. Ausgeschlossen von der Liste sind Stoffe die sich nur am Rande oder nur komplett fiktionalisierter Form an den Ripper wagen, außerdem beschränkt sich die Liste auf Filme und Mehrteiler, TV-Serien sind ausgeschlossen.



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PLATZ 1: „JACK THE RIPPER – DAS UNGEHEUER VON LONDON“ (1988) – David Wickes

- JACK THE RIPPER –










„Seit über 100 Jahren haben die Morde von Whitechapel, begangen von Jack The Ripper, die Welt verblüfft. Was sie sehen werden ist eine Dramatisierung dieser Ereignisse. Unsere Geschichte basiert auf umfassenden Recherchen, inklusive des Studiums der offiziellen Ermittlungsakten – mit spezieller Erlaubnis des Home Office- sowie Interviews mit renommierten Kriminologen und Scotland Yard Beamten“

- Disclaimer zu Beginn des Zweiteilers.


Dieser herausragende Mehrteiler, von Thames Productions und NBC coproduziert, ist bis heute niemals übertroffen worden, und von Michael Caine, als der historische Ermittler des Ripper-Falles Inspector Abberline, und Lewis Collins als dessen nicht minder historischer Partner Inspector Godley, brillant gespielt. Caine erhielt für seine außerordentlich intensive Glanzleistung 1989 den Emmy, BAFTA und Golden Globe als Bester Hauptdarsteller in einem TV Film/Mehrteiler

Der Zweiteiler wurde in Großbritannien in zwei Teilen ausgestrahlt, der erste am Dienstag, den 11. Oktober 1988, und der zweite, abschließende Teil eine Woche später am 18. Oktober. Jede Folge begann um 21.00 Uhr, wurde aber um 22.00 Uhr unterbrochen, um die Ausstrahlung der ITN-Nachrichten "News At Ten" zu ermöglichen.

Inszeniert und geschrieben wurde die weitgehend halbdokumentarische Mini – Serie, seinerzeit ein aufsehenerregendes Fernsehereignis mit unfassbaren Quoten, ein regelrechter Straßenfeger, von David Wickes, und zwar zum 100 – jährigen „Jubiläum“ der Mordserie, als erstmals die Scotland Yard Akten zum Fall öffentlich zugänglich wurden – wovon jedoch der wesentlichste Teil bereits spurlos verschwunden war.

Es war dieser Film, der mit ungeheurem ausstatterischem Aufwand das London des ausgehenden 19. Jahrhunderts, und speziell den „Autumn of Terror“ zum Leben erweckt, der erstmals überhaupt die realen Mordopfer mit ihren echten Namen, die tatsächlichen Tatumstände, den realen kriminalistischen Hintergrund und die wirklichen Ermittler öffentlich machte. Erst mit diesem ambitionierten Zweiteiler wurde der tatsächliche Fall zum allerersten Mal filmisch umgesetzt. Dadurch erreicht er einen „Aktenzeichen XY“-Faktor, den andere Bearbeitungen vorher und nachher nie erreichen konnten.


 



Zwar stimmen die dort, raffinierterweise in Form eines whodunit, präsentierten Verdächtigen nicht (dafür gab es die Personen wenigstens wirklich, sie waren auch damals in London, nur standen sie außerhalb der Yellow Press nicht unter Verdacht), und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht der dort schlussendlich präsentierte – großartig gespielte – Täter, aber das ist erst mit heutigem Forschungsstand und mit Blick auf später entdeckte Dokumente so feststellbar. Auch der im Epilog präsentierte Beweis, ist letztlich nur ein interessantes Indiz.

Die Gestaltung war so genau, dass z.B. Darsteller Hugh Fraser im Film die echte Originaluniform des historischen Polizeichefs Sir Charles Warren trägt.

Zwar kommt auch diese überlegene Bearbeitung, schon wegen der gravierenden Lücken in den Akten die überbrückt werden mussten, nicht ganz ohne Fiktionalisierungen und künstlerische Freiheiten aus, jedoch sind diese mit Bedacht genommen und haben zumindest eine gewisse Basis in Recherchen. So gab es beispielsweise in Wirklichkeit keine Romanze zwischen Emma Prentiss und Frederick Abberline, aber eine Zeitungszeichnerin dieses Namens gab es damals tatsächlich. Dort wo „Jack The Ripper“ von 1988 sein Garn freier spinnen muss, wird das jedenfalls durch die nie abreißende Spannung, dichte Inszenierung und superbe Schauspielerleistungen völlig aufgewogen.

Einziges historisches Manko: Arbeitsrechtler George Lusk wird im Film, drastisch abweichend von der Wirklichkeit, als gewaltbereiter, machtbesessener Linksextremist von grobschlächtigem Charakter dargestellt. Der echte Lusk war ein feinsinniger, gebildeter Mann und engagiert für soziale Gerechtigkeit eintretender Gewerkschafter von hohem Ansehen. Drehbuchautor und Regisseur Wickes war ganz offensichtlich ein rechter Thatcher-Fan.

Dafür ist der brillant fotografierte Zweiteiler atmosphärisch so dicht und spannungsgeladen, dass man bei jedem Sehen wieder die kompletten drei Stunden am Stück hinunterschlingt. Da kam keine andere Produktion je wieder heran.
 

„An Hand von Originalakten rekonstruiert der brillant fotografierte, intensiv gespielte Fernsehfilm den Fall, der bis heute nicht aufgeklärt werden konnte, und bettet ihn in ein stimmungsvolles Bild des damaligen Londons; er kommt zu dem Schluß, daß […] der Mörder war, was jedoch nur eine der Hypothesen ist, die sich um "Jack the Ripper" ranken.“

– Lexikon des internationalen Films


„Im seltsamen Fall von Jack the Ripper gab es keinen Prozess und kein unterzeichnetes Geständnis.
Im Jahr 1888 gab es weder Fingerabdrücke noch Blutproben, und es gab keine schlüssigen forensischen oder dokumentarischen Beweise oder Augenzeugenaussagen. Ein eindeutiger Beweis für die Identität des Rippers liegt also nicht vor.
Wir sind nach sorgfältigem Studium und akribischen Recherchen zu unseren Schlussfolgerungen gekommen. Andere Forscher, Kriminologen und Autoren mögen eine andere Meinung vertreten. Wir glauben, dass unsere Schlussfolgerungen zutreffend sind.“

- Aus dem Abspann des Zweiteilers






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Platz 2: „MORD AN DER THEMSE (1979)“ - Bob Clark

- MURDER BY DECREE –






Dieses Schmuckstück entdeckte ich buchstäblich durch Zufall, in einem Wühltisch der Drogerie Müller mit einem unscheinbaren und extrem lieblosen Cover, das fast wirkte als handele es sich um ein billiges Videospiel (siehe hier: https://m.media-amazon.com/images/W/IMAGERENDERING_521856-T1/images/I/511N2F4ER4L._SY445_.jpg) – überrascht wurde ich mit einem der besten Ripper-Filme überhaupt, der trotz Starbesetzung (Christopher Plummer, James Mason, Genevieve Bujold, Donald Sutherland , David Hemmings, Anthony Quayle) und eines glänzenden Skripts des „James Bond 007- Feuerball“-Autors John Hopkins, hierzulande erschreckend unbekannt ist.

„Mord an der Themse“ basiert dabei nicht nur auf Stephen Knights „The Final Solution“ sondern auch auf dem Buch zur mehrteiligen BBC-Doku-Reihe „The Ripper File“ von John Lloyd und Elwyn Jones und nutzt zusätzlich, als Nachfolger von „A Study In Terror“ die Figuren von Sir Arthur Conan Doyle. 





Entsprechend sind es in dieser kanadischen Großproduktion Sherlock Holmes (brillant: Christopher Plummer) und sein Freund und Unterstützer Dr. Watson (köstlich: James Mason), die von Inspector Lestrade (Frank Finlay, der dieselbe Rolle auch in einem anderen Film auf dieser Liste spielte, nämlich „A Study In Terror“ von 1965) mehr widerwillig in die Ermittlungen zum Fall Jack The Ripper gezogen werden. Im Verlauf ihrer Untersuchungen decken sie eine Verschwörung auf, in der ein uneheliches Kind, das es nicht geben darf, fünf Huren aus dem East End, und die Freimaurer bis hinauf ins britische Königshaus eine Rolle spielen werden…

Ausstattung, Musik und Set-Design sind grandios, ebenso die Breitwand-Kamera von Reginald Morris. Der Score ist teilweise sehr unheimlich, in seinen glanzvollsten Momenten wiederum weckt er Erinnerungen an den späten Miklos Rosza. Kein Wunder denn Carl Zittrer („Dead Of Night“ und die „Prom Night“-Reihe) und Paul Zaza („Bloody Valentine") sind beide Slasher- und Horrorfilm erfahren, vermochten es aber auch die viktorianische Epoche in herrlich altmodischen Klängen einzufangen.




 

Bob Clarks Regie schwächelt zwar manchmal, aber das superbe Ensemble hält die Spannung zu jeder Zeit hoch, man folgt den Verästelungen der Untersuchung zu jeder Zeit interessiert, und sogar ein paar Spritzer Ironie und Humor sind, besonders zwischen Watson und Holmes (Die famose Erbsenszene) , zu finden, bevor am Ende alle Karten aufgedeckt sind und es – natürlich – zur Tragödie der angeordneten Vertuschung kommt – nicht ohne einen fulminanten Schlußmonolog für den größten aller Detektive der, aus dem Mund eines großen Shakespeare-Mimen wie Plummer, eine ungeheure Wucht entfaltet.

Die mittlerweile überholte Royal Conspiracy Theory ist hier hervorragend, teils halbdokumentarisch mit exakter Kenntnis des realen Falles und seiner Beteiligten ausgearbeitet und wirkt bis ins Detail stimmig, manche der oft grausigen Bilder sind geeignet einen länger zu verfolgen.

Während es überraschen muss, dass dieser hervorragende und immer wieder sehenswerte Film bei uns kaum bekannt ist, kann es nicht überraschen, dass „Murder By Decree“ beim kanadischen Filmpreis, den Genie Awards, 1980 gleich achtmal nominiert war, und sogar fünf der Preise gewann, nämlich:
 

Bester Hauptdarsteller – Christopher Plummer
Beste Nebendarstellerin – Genevieve Bujold
Beste Regie - Bob Clark
Bester Schnitt – Stan Cole
Beste Filmmusik – Carl Zittrer und Paul Zaza


Weitere Nominierungen hatte es gegeben für:

Beste Kamera – Reginald H. Morris
Bester Ton – David Appleby und Joe Grimaldi
Bester Toneffektschnitt – Kenneth Heely-Ray




 

 

 

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Platz 3: „FROM HELL“ – Albert und Allan Hughes

- FROM HELL –






Der Ausnahmeschriftsteller Moore, der Mitte der 80iger Jahre durch die vielfach preisgekrönte Graphic Novel „Watchmen“ zum Star-Autoren der internationalen Comic-Szene anavancierte, seinen Ruf mit „A league Of Extraordinary Gentlemen“ zementierte und zuletzt mit der sensationellen Lovecraft-Hommage „Providence“ auch erfolgreich verteidigte, schuf in einem Zeitraum von 10 Jahren, die wahrscheinlich bedeutendste Graphic Novel die je publiziert wurde: „From Hell"



 

Erst als Serial, später als dickes 700-seitiges Monster von einem Paperback publiziert, rekurrierte das mit einem reichen dokumentarischen Anhang ausgestattete Mammutwerk aus dem London des 19. Jahrhunderts auf die sogenannte „Royal Conspiracy theory“ die der Ripperologe Stephen Knight 1976 in dem Buch „The Final Solution“ erstmals ausgebreitet hatte…

Der Titel bezieht sich auf jenen, vermutlich authentischen, Ripper-Brief an Scotland Yard, der, in roter Tinte geschrieben mit den Worten "From Hell..." beginnt: Aus der Hölle.

Alan Moore, kongenial begleitet durch die zeichnerische Meiserleistung Eddie Campbells, nutzt den bis heute zutiefst geheimnisumwitterten Fall des ersten modernen Serienkillers, Jack The Ripper, und sein blutiges Mysterium, die nachfolgenden Polizei-Ermittlungen durch Inspector Abberline und Sergeant Godley, die hier , anhand von Originaldokumenten und Akten, so detailreich, minutiös und tiefschürfend recherchiert und rekonstruiert präsentiert werden, wie nie vorher und nie nachher in der Literaturgeschichte, um nicht nur einen komplexen Verschwörungsthriller von hypnotischer Sogwirkung zu erzeugen….

….- Moore und Campell liefern, in 16 Kapiteln nebst Prolog und Epilog, auch ein gewaltiges viktorianisches Epos, einen Inneneinblick in die Slums, Gassen, Spelunken, Polizeireviere, Villen des West End und sogar das Königshaus eines Weltreiches auf tönernen Füssen, eines Empires das schon den Keim des Untergangs trägt.

Anhand einer überschäumenden Fülle von dutzenden von Vignetten, von hunderten Einzelschicksalen, in einem gewaltigen, unglaublich intensiven, Bogen der von den Fieberträumen William Blakes, über Robert Louis Stevensons Inspiration zu „Jekyll und Hyde“, dem tragischen Schicksal des Elefantenmenschen John Merrick bis hin zur Zeugung Adolf Hitlers reicht (die zufällig in jenen „Autumn of Terror“ 1888 fiel), schildern Moore und Campbell den Untergang eines ganzen Zeitalters und die Morgendämmerung eines neuen Jahrhunderts….dem der Massenmedien und des Massenmordes….

Erst mit "From Hell" wurde die Graphic Novel zu einer vollverwirklichten, eigenständigen Kunstform, die gleichwertig neben der Literatur zu stehen vermag.

„From Hell“ wurde gleich fünfmal mit dem Comic-Oscar, dem Will-Eisner-Award ausgezeichnet, in den Kategorien:

Beste Comic-Serie (1993)

Bester Autor (1995)

Bester Autor (1996)

Bester Autor (1997)

Beste Graphic Novel (Nachdruck) (2000)




 

Die Kinoadaption von 2001 – die eben letztlich keine ist - ist für sich genommen ein recht spannendes Filmchen, aber - trotz toller Besetzung - eine Schändung der meisterhaften, preisgekrönten Graphic Novel. Das Drehbuch hat verglichen mit seiner Vorlage mehr Schulbuben-Niveau. Wer eine auch nur halbwegs faktengetreue Umsetzung der "Final Solution" Theorie Stephen Knights (die auch "From Hell" zugrunde liegt) sehen will, liegt hier falsch.

Gerade diese Vorlage hätte bereits ein hohes Maß an erzählerischen Ideen und filmischen Möglichkeiten beinhaltet, die man lediglich hätte nutzen müssen. wo die Vorlage nicht nur die spannend und tiefgründig erzählte, exakt recherchierte, Geschichte des ersten bekannten Serienmörders ist, sondern auch das pralle und poetische Bildnis einer ganzen Epoche, porträtiert mit hoher künstlerischer Gestaltungskraft, nimmt die "Verfilmung" nur einige beliebige Handlungslemente und Bilder vermantscht sie zu einem Brei und verwässert ihn noch durch erhebliche Kürzungen. Nicht nur ist der Film durch diese Veränderungen historisch falsch bis ins Mark (so verschmolz man die reale Figur des 50jährigen Inspektor Abberline mit der realen Figur des Hellsehers Lees, machte ihn auch noch morphiumsüchtig, gab ihm eine 90er Jahre Frisur und den falschen Akzent), sondern er beraubt sich aller künstlerischer Möglichkeiten und veroberflächlicht das Geschehen bis zum Geht nicht mehr. So wird aus einer Vorlage die, selbst bei einer sehr freien Adaption, zu einer spannenden und tiefgehenden filmischen Auseinandersetzung geradezu eingeladen hätte, ja, ein Ausnahme - Thriller hätte sein können, nicht mehr als Fast Food.

Auf Platz drei landet er dennoch wegen der packenden Grundspannung und seiner außerordentlich hohen Production Values: Der hervorragenden Photographie der prunkvollen viktorianischen Ausstattung - hier wurden einige durchaus ästhetische Tableaus geschaffen - und der brillanten Besetzung (Depp, Robbie Coltrane und Ian Holm), die den Film mit solidem Schauspielhandwerk retten. Besonders Ian Holm (leider nicht einmal erste Wahl der Macher) schmuggelt eine Unzahl von Nuancen und Feinheiten mittels feingliedrigem Spiel in den Menschen William Gull - quasi am Drehbuch vorbei.

Fazit: An der überwältigenden und übermächtigen Vorlage auf allen Ebenen so grandios gescheitert, dass es zum Erbarmen ist, für sich genommen aber ein sehr spannender Reißer.

 



 


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Platz 4: SHERLOCK HOLMES GRÖSSTER FALL (1965) – James Hill

- A STUDY IN TERROR –
 





Auch in dieser 60iger Jahre Verfilmung aus Großbritannien sind es Sherlock Holmes (John Neville) und Dr. Watson (Donald Houston) die die Identität von Jack The Ripper ermitteln, und auch in diesem Film spielt Frank Finlay Inspector Lestrade und auch hier ist ein jüngerer Anthony Quayle in einer Nebenrolle zu sehen. In weiteren Nebenrollen übrigens auch die damals noch ganz unbekannte Judi Dench und der deutsche Charles Regnier.

Die Geschichte basiert zwar auf den Figuren von Conan Doyle, ist aber eine Original-Story von Derek und Donald Ford, die den berühmten Detektiv auf die Spur von Jack the Ripper bringt. Die Geschichte fordert Holmes heraus, diese schrecklichen Verbrechen aufzuklären. Die Ermittlungen führen ihn – in deutlich konventionelleren Bahnen verlaufend als später in „Murder By Decree“- auf die Spur von Aristokratie, Erpressung und Familienwahnsinn. Anders als Scotland Yard in der Realität findet Holmes schließlich die wahre Identität des Rippers heraus.

Die Weltpremiere des Films fand am 4. November 1965 im Leicester Square Theatre im Londoner West End statt. „Das Pastiche A Study in Terror“ stellt ironischerweise den ersten Filmauftritt von Mycroft Holmes dar.

Regie führte hier James Hill, späterer Macher der 70iger Jahre TV-Serie um Vogelscheuche „Worzel Gummdige“ und Regisseur von „Frei gebroren“ (Born Free). Im gesamten Film hat man stets den Eindruck – und das ist kein negativer – eine Produktion von Hammer Films aus den guten alten Bray Studios zu sehen, dem ist jedoch absolut nicht so. Es besteht nur eine hohe stilistische Ähnlichkeit zu den besten Produktionen von Hammer, wenn auch mit höheren Produktion Values.

Für sich genommen eine hervorragende kleine, stilvolle Thrillerschnurre, wenn auch ohne faktische Elemente des realen Falles und ohne die realen Tatumstände. Es ist eine rein fiktionalisierte Aufarbeitung der Verbrechen eines fiktionalen Jack-The-Ripper, die ripperologisch nicht relevant sein kann aber auf gutem Niveau glänzend unterhalten kann.








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Platz 5: JACK THE RIPPER (1959) – Monty Berman, Robert S. Baker

- JACK THE RIPPER –



 

Jack the Ripper ist ein Film aus dem Jahr 1959, produziert und inszeniert von Monty Berman und Robert S. Baker. Er basiert lose auf Leonard Matters' völlig überholter Theorie, dass Jack the Ripper ein Arzt war, der Rache nahm. In dem Schwarz-Weiß-Film spielen Lee Patterson und Eddie Byrne die Hauptrollen, außerdem Betty McDowall, John Le Mesurier und Ewen Solon

Die Handlung ist ein "Whodunit" mit falschen Spuren und einer Auflösung, bei der die unwahrscheinlichste Figur als Täter entlarvt wird. Wie in Matters' Buch „The Mystery of Jack the Ripper“ ermordet der Ripper in diesem altmodischen Gruselschinken Prostituierte, um den Tod seines Sohnes zu rächen.

1926 schlug Matters in einem Zeitschriftenartikel vor, dass es sich bei dem berüchtigten Serienmörder Jack the Ripper um einen angesehenen Arzt handelte, dessen Sohn an der von einer Prostituierten übertragenen Syphilis gestorben war. Matters zufolge beging der Arzt, der sich das Pseudonym "Dr. Stanley" gab, die Morde aus Rache und floh anschließend nach Argentinien.

Matters behauptete, er habe in einer südamerikanischen Zeitung einen Bericht über Stanleys Geständnis am Sterbebett entdeckt.

Er erweiterte seine Ideen 1929 in einem Buch mit dem Titel „The Mystery of Jack the Ripper“. Das Buch wurde als seriöse Studie vermarktet, enthält aber offensichtliche sachliche Fehler, und die Dokumente, auf die es sich angeblich stützt, wurden nie gefunden. Der Krimiautor Edmund Pearson, ein Zeitgenosse von Matters, sagte bissig: "Das Geständnis am Sterbebett hat zu den Fakten der Kriminologie ungefähr die gleiche Beziehung wie die Heldentaten von Peter Rabbit und Jerry Muskrat zur Zoologie. "

Der Ripper-Experte und ehemalige Polizist Donald Rumbelow hielt die Theorie für "mit ziemlicher Sicherheit erfunden",und Stephen Knight, der das Buch „Jack the Ripper: The Final Solution“ schrieb, war der Meinung, dass „die Theorie auf unbewiesenen und offensichtlich falschen Behauptungen basierte"

Dennoch war „The Mystery of Jack the Ripper“ das erste vollständige Buch über den Ripper und inspirierte weitere fiktionale Werke wie den Film „Jack the Ripper“ von 1959 der jedoch Hintergründe, Tatumstände, kriminologische Fakten und auch die Namen der Beteiligten komplett fiktionalisiert. In dieser Filmadaption, die immerhin, trotz ihrer reißerischen Melodramatik, durchaus zu fesseln weiß, wird daraus ein altmodischer Gruselschinken in der Tradition des Grand Guignol in dem nahezu nichts den Tatsachen der Ripper-Morde entspricht.






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Platz 6: SCOTLAND YARD GREIFT EIN (1944) – John Brahm

- THE LODGER –



 

„Scotland Yard greift ein“ ist ein amerikanischer Horrorfilm von 1944 über Jack the Ripper, in vollständig fiktionalisierter Form, der auf dem gleichnamigen Roman von Marie Belloc Lowndes aus dem Jahr 1913 basiert. In den Hauptrollen sind Merle Oberon, George Sanders und Laird Cregar zu sehen, ebenso ist Sir Cedric Hardwicke zu sehen. die Regie führte John Brahm nach einem Drehbuch von Barré Lyndon.


Lowndes' Geschichte war bereits 1927 von Alfred Hitchcock als Stummfilm verfilmt worden. Hitchcocks brillanter „The Lodger: A Story of the London Fog“ nimmt aber alle Bezüge zum historischen Mordfall Jack The Ripper und zu dessen Zeit heraus und kreiert einen Würger im Londoner der 20er-Jahre, weshalb seine Fassung keinen Platz in dieser Liste finden kann.

Mr. Slade, gespielt von Laird Cregar, ist Untermieter im Haus einer Familie im London des 19. Jahrhunderts. Das gilt auch für die Sängerin Kitty Langley, die Slades Interesse geweckt hat. Im Stadtteil Whitechapel werden Frauen brutal ermordet. Scotland Yard ermittelt, und ein Detektiv, John Warwick, beginnt, seinen Verdacht in Slades Richtung zu lenken. In der Zwischenzeit hat auch Kitty eine Zuneigung für Mr. Slade entwickelt…

In einem ihrer Memoiren erwähnt Belloc Lowndes, was sie dazu brachte, einen Roman über Jack the Ripper zu schreiben. Bei einem Abendessen saß sie neben einem Mann, der ihr von zwei Personen erzählte, die seinem Vater gedient hatten. Ein Butler und ein Dienstmädchen, die, nachdem sie geheiratet hatten, beschlossen, eine Pension zu eröffnen. Der Mann erzählte Lowndes, dass dieses Paar glaubte, der Mörder habe eine Nacht in ihrer Pension verbracht, bevor er "den schrecklichsten seiner Morde" beging. Nachdem sie die Geschichte gehört hatte, beschloss sie, dass sie als Grundlage für eine "eindrucksvolle Kurzgeschichte" dienen könnte – die sich dann zum Roman auswuchs.
 

Die New York Times gab dem Film eine vergiftet positive Kritik:

„Wenn "The Lodger" dazu gedacht war, das Rückgrat zu erschüttern - was in der Tat der Fall gewesen sein muss, wenn man all das Chaos bedenkt, das Mr. Cregar als der mysteriöse, psychopathische Pathologe des Titels zu begehen hat - dann stimmt etwas nicht mit dem Film. Aber wenn er als schlaue Travestie auf die melodramatische Technik des schwerfälligen Anhäufens von Verdacht auf Verdacht (und des Einhüllens des Ganzen in einen Mantel aus grüblerischen fotografischen Effekten) gedacht war, dann ist The Lodger äußerst erfolgreich."

The Variety schrieb: 

"Mit einer guten Besetzung, einer scharfen Regie und einem straffen Drehbuch hat 20th-Fox ein fesselndes und bisweilen Gänsehaut erzeugendes Drama geschaffen".



 



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Platz 7: DER UNHEIMLICHE UNTERMIETER (1953) – Hugo Fregonese

- THE MAN IN THE ATTIC –


 




Auch das zweite schwarzweiße Remake des Romans von Marie Belloc-Lowndes spielt in London im Jahr 1888.

In der dritten Nacht der Jack-the-Ripper-Morde kommt Mr. Slade (großartig: Jack Palance), ein Forschungspathologe, recht spät im Haus von Mr. und Mrs. Harley an, um ein Zimmer zu mieten. Slade mietet ein Zimmer und einen Dachboden, die er für seine Forschungsarbeit benötigt. Mrs. Harley fällt auf, dass Slade sich seltsam verhält, z. B. dreht er mehrere Bilder von Schauspielerinnen an die Wand und sagt, er spüre ihre Augen auf sich gerichtet. Er erwähnt auch, dass er gewöhnlich bis spät in die Nacht hinein arbeitet, aber er erklärt nicht, worum es bei seinen Forschungen geht.

Mrs. Harleys Nichte, Lily Bonner, kommt kurz darauf zu Besuch; sie ist eine schöne Schauspielerin und Sängerin, die gerade von einer erfolgreichen Bühnenproduktion in Paris zurückgekehrt ist. Slade verlässt das Haus für den Abend, trägt einen Ulster-Mantel und eine kleine schwarze Arzttasche und trifft Lily vor ihrer Premiere in London. Im Theater besucht eine alte Kollegin von Lily sie hinter der Bühne, aber sie wird später vom Ripper ermordet. Und Inspektor Warwick, der die Morde untersucht, erzählt Lily, dass der Verdächtige mit einem Ulster-Mantel und einer kleinen schwarzen Arzttasche gesehen wurde…

Zwar ist es hier Mrs. Harleys Nicht die in Gefahr gerät und nicht , wie im Roman, deren Tochter, ansonsten hält sich diese Version noch am engsten an den Roman von Belloc-Lowndes.

Für diese Verfilmung – für sich genommen ein spannendes Garn (von eher geringer Halbwertszeit), das aber mit dem realen Mordfall nur wenig zu tun hat – schrieb Robert Presnell jr, bekannt für verschiedene denkwürdige Originalepisoden der „Twilight Zone“, das Drehbuch zusammen mit Barre Lyndon. Diese Verfilmung verfügt nicht über ganz die atmosphärische Dichte ihrer Vorgänger. Regie führte hier der in Hollywood erfolgreiche Argentinier Hugo Fregonese, der später in Deutschland auch “Old Shatterhand“ und „Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse“ auf die Leinwand bringen sollte. Die Musik stammt von Hugo Friedhofer, der schon Errol Flynns „Die Abenteuer des Robin Hood“ , Hitchcocks „Lifeboat“ und später zahlreiche Westernklassiker vertont hatte. Außerdem hatte er auch für die Vorgängerverfilmung „Scotland Yard greift ein“ die Musik verfasst.






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Platz 8: THE RIPPER – DER SCHLITZER“ (1997) – Janet Meyers

- THE RIPPER –



 

Im Jahr 1888 wird in London eine Prostituierte auf offener Straße ermordet. Der Scotland-Yard-Chefinspektor Jim Hansen (Patrick Bergin) leitet die Ermittlungen und stellt fest, dass es sich bei dem Mörder um eine Person handelt, die sich mit dem Sezieren auskennt. Hansen gehört der Unterschicht an und strebt nach sozialem Aufstieg. Bald geschehen weitere Morde, und die ehemalige Prostituierte Florry Lewis (Gabrielle Anwar) wird Zeugin, wie der Mörder eine Prostituierte tötet, und ist gezwungen, ins Revier zu gehen, um Scotland Yard einen Hinweis zu geben.

Inspektor Hansen beauftragt Sgt. Tommy Bell mit dem Schutz von Florry und er untersucht die Mordfälle. Prinz Albert Victor, der Thronfolger von England (Samuel West), wird zu seinem Hauptverdächtigen, aber sein Chef Sir Charles Warren (Michael York) sagt, dass sie stichhaltige Beweise gegen den Prinzen brauchen, um den Fall weiter zu verfolgen….

Der TV Film mit dem einfallslosen Titel entstand nach einem Drehbuch von Robert Rodat (Autor von „Amy und die Wildgänse“ und „Der Soldat James Ryan“- für Letzteren erhielt eine Oscarnominierung) und wurde von Janet Meyers mit stilsicherer Hand inszeniert. Zwar handelt es sich um eine weitere total fiktive Ausarbeitung des Themas, aber immerhin eine geschickte und interessante, die sich weit ins Spekulative wagt. Ausstattung, Kostümdesign, ja die ganze Nachgestaltung der Epoche sind hochgradig authentisch und sehr gelungen, die Schauspielerleistungen durchaus überzeugend und auch an Momenten des Unheimlichen mangelt es nicht. Immerhin stimmen hier die Namen der Mordopfer historisch exakt.

Insgesamt aber stellt sich die Frage warum genau es auch diese Fassung noch brauchte, zumal sie keine neuen Impulse in der Gestaltung des Themas setzt.




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Platz 9: JACK THE RIPPER - EINE FRAU JAGT EINEN MÖRDER (2016)




 

Schon die Vorberichte und Trailer ließen den Kenner des Falles und der Zeit Schlimmes vermuten: Im Zimmer des möglicherweise unschuldigen Jakob Kosminski wird die Leiche der zerstückelten Mary Jane Kelly gefunden, daraufhin wird er als Serienmörder Jack The Ripper verhaftet und ins Irrenhaus eingeliefert. Seine Schwester Anna (Sonja Gerhardt) kommt ihn, nichtsahnend, aus Deutschland besuchen – und erfährt schockiert die Wahrheit. Sie wird Polizeifotografin, trifft auf Inspektor Abberline (fast 20 Jahre zu jung: Falk Hentschel) und dessen Vorgesetzten Chief Inspector Briggs (frei erfundene Figur) und lernt im Atelier von Samuel Harris (fiktive Figur) auch den mysteriösen Fotografen und Bewegtbildforscher David Cohen (Sabin Tambrea) kennen. Leidenschaftlich versucht sie ihren Bruder reinzuwaschen….

WAS NICHT STIMMT: Fast alles. Und wenn man das schon völlig unbesehen sagen kann, ist das kein gutes Zeichen. Zunächst einmal: Mary Jane Kelly wurde in ihrem eigenen Zimmer aufgefunden, technisch gesehen in mehreren Einzelteilen. Übrigens auch nicht von Kerzen umgeben wie im Filmausschnitt. Es war der Einzige Indoor Mord des Rippers. Ein Tatverdacht fiel – kurzzeitig – auf ihren Geliebten Joseph Burnett, ließ sich aber nicht erhärten. Es gab zwar, später, einen lose Tatverdächtigen namens Kosminski, der hatte aber mit Kellys Zimmer nichts zu tun, und hieß Aaron und nicht Jakob. Er landete zwar im Irrenhaus, starb aber auch dort, denn eine Schwester namens Anna, die ihn hätte retten können, gab es nicht. Zudem stammte der verwirrte Mann aus Polen, nicht aus Deutschland. Es gab auch einen Tatverdächtigen namens David Cohen, der jedoch war kein Fotograf, landete ebenfalls im Irrenhaus und starb ebenfalls dort. Die Meisten anderen Figuren sind hier ohnehin fiktiv. Die Polizei nutzte damals bereits Fotos (auf Bildplatten), aber professionelle Polizeifotografen als Beruf gab es nicht, für Frauen waren alle Polizeiberufe verschlossen. Filme auf Zelluloidstreifen, wie im Trailer zu sehen, gab es nicht vor 1893/94 also sechs Jahre später, und die hier gezeigte Projektionstechnik gab es sogar erst ab November 1895 – mit der ersten öffentlichen Filmvorführung der Welt durch die Brüder Skladanowsky in Berlin (erst von ihren ersten Tourneen kam später der Ausdruck „Bewegtbild“ für Filme). Also wird hier filmhistorisch recht deutlich gemogelt.



 

Schon das Herzstück und die Hauptprotagonistin des Filmes sind somit völlig fiktiv.

Wenn man sich dann noch bewußt macht, dass die Handlung erst nach dem LETZTEN Rippermord (Kelly war das letzte der fünf kanonischen Opfer) und somit dem ENDE der Mordserie einsetzt, fragt man sich: Was soll der Mehrwert der Verfilmung eines historischen Kriminalfalls sein, die den historischen Kriminalfall völlig ausklammert, Details verfälschend durcheinanderwirbelt und als einzige Neuerungen eine Galileo Moderatorin als Mordopfer und einen Ripper mit extrem auffälliger Sack-Gesichtsmaske zu bieten hat, die die sofortige Festnahme zur Folge gehabt hätte? Dann auch noch die Vorhersehbarkeit: Wenn Schurkendarsteller Sabin Tambrea, mit bösem Schurkenscheitel versehen, den Namen eines Tatverdächtigen trägt – wer wird wohl der Mörder sein?

Zwar heißt es, die weibliche Protagonistin solle einen ganz neuen Blick auf das Geschehen vermitteln, der „Mary Reilly Faktor“ sozusagen, nur leider ist der Blick ganz und gar nicht neu. Zuletzt wurde das 1999 in dem fürchterlich schlechten „Jack the Ripper lebt“ mit Faye Dunaway gemacht.

Fazit: Eine absolut 100% fiktionale Thrillerschnurre mit allerdings tollem Kostüm- und Produktionsdesign, der sich den historischen Kriminalfall in fragwürdiger Weise aneignet. Er wird dem tatsächlichen Geschehen nicht gerecht, und unternimmt auch keinerlei Versuch dazu. Immerhin recht spannend gemacht und mit sehr guter Hauptdarstellerin (Sonja Gerhardt, bekannt aus „Die wilden Hühner“) die allerdings mit den ungenügenden Dialogen, die hauptsächlich darin bestehen, dass sie alle 10 Sekunden „Abberline!“ oder „Harris!“ rufen darf, nicht viel retten kann. Am Ende konnte man mit einer so nie zuvor benutzten (weil extrem unlogischen) Auflösung sogar zum Teil überraschen.







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Platz 10: JACK THE RIPPER LEBT (1999) – William Tannen

- LOVE LIES BLEEDING –




 

Als das 19. Jahrhundert zu Ende geht, ist London eine Stadt, die von Armut, Klassenkampf, Krankheiten und unsäglichen Verbrechen heimgesucht wird. Mitten in diesem Chaos lebt Catherine Ringward, eine schöne junge Frau, die davon träumt, als Journalistin Karriere zu machen. Als eine Reihe grausamer Morde geschieht, gerät Catherine in die größte Fahndung, die London je erlebt hat.

Die Beziehung zwischen Catherine und dem Chirurgen Jonathan Stevens (Paul Rhys) droht zu zerbrechen, da ihr Verlobter möglicherweise in die grausamen Morde an jungen Prostituierten im Whitechapel-Viertel verwickelt ist. Doch Inspektor Frederick Abberline (Wayne Rogers) verhaftet einen anderen verdächtigen Chirurgen ...

Je näher sie der Identität des brutalen Mörders kommt, desto klarer wird ihr, dass er sie niemals leben lassen wird, um die Geschichte zu erzählen.

Diese völlig fiktionalisierte Ripper-Story, kreisend um eine fehlbesetzte Faye Dunaway, versucht einen emanzipatorischen Blickwinkel, der , so interessant er sicher wäre, schon daran scheitert, dass ein Mann das Drehbuch schrieb und ein anderer Regie führte. Sie bietet unter anderem Paul Rhys, Malcolm McDowell und Wayne Rogers auf, eine durchaus interessante Besetzung, verlässt jedoch niemals die ausgetretenen Pfade des allzu Vorhersehbaren und leidet obendrein an arg schleppendem Tempo und nachgerade bleierne Langeweile. Es gibt praktisch keinen Grund den man anführen könnte, um die Sichtung dieses blassen TV-Süppchens zu empfehlen.






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Platz 11: JACK THE RIPPER – DER DIRNENMÖRDER VON LONDON  (1976) – Jess Franco

 



„Ich entscheide mich für den Schweizer Film Jack The Ripper in Zürich. Ich drehe den Scheiß in acht Tagen herunter. Den Rest der Zeit spiele ich Tennis, auch im strömenden Regen, bis mir Hände und Füße bluten und ich vor Blasen nicht mehr gehen noch stehen kann.“ 

So schreibt Klaus Kinski selbst und spricht damit treffend aus, was über diesen reißerischen Fetzen von Genre-Gigant Jesus Franco Manera, alias Jess Franco zu sagen ist.

Verantwortlich für das Desaster sind außer Kinski, dem es irgendwie (anders als Jospehine Chaplin, die unbekanntere der Chaplin-Töchter) gelingt einen Rest von Würde zu wahren, der thrillererfahrene Sex-Film-Produzent Erwin C. Dietrich und die schweizer Brüder Peter (Kamera) und Walter (Musik) Baumgartner, die sich ihre Meriten ebenfalls in der Sexfilm-Welle erarbeiteten.

Kinski spielt in dem küchenpsychologisch aufgeladenen Streifen den Arzt Dr. Orloff – der ein grausiges Doppelleben führt. Er ist Jack the Ripper, der Dirnenmörder aus dem Londoner East End. Gequält von Erinnerungen an seine Mutter, die eine Prostituierte war, sucht er nachts Dirnen auf, vergewaltigt und ermordet sie auf grausame Weise und schneidet dann ihre Leichen in Stücke, von denen Teile sukzessive und teils buchstäblich wiederauftauchen. Inspektor Selby von Scotland Yard wird auf den Fall angesetzt. Seine Ex-Freundin, die Balletttänzerin Cynthia, hat einmal den Mörder gesehen und sucht nun als Prostituierte verkleidet die Orte auf, an denen die Opfer zuletzt gesehen wurde….

Ein fast unverzeihliches Machwerk. Unter filmischen Gesichtspunkten schwer erträglich, unter ripperologischen ein Totalschaden, in dem buchstäblich nichts stimmt und auch nichts recherchiert wurde. Mit dem echten Fall gibt es eigentlich nur über den Titel einen Bezug.








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HONORABLE MENTIONS:



STAR TREK, TOS „DER WOLF IM SCHAFSPELZ" (1967, Staffel 2, Folge 7) – Joseph Pevney

- WOLF IN THE FOLD -



 

Montgomery Scott befindet sich auf Argelius II in Begleitung von Captain Kirk und Doktor McCoy in medizinischem Urlaub, nachdem er sich durch den Fehler eines weiblichen Besatzungsmitglieds eine schwere Kopfverletzung zugezogen hat. McCoy glaubt, dass die sexuell freizügige argelianische Kultur Scotts "totale Abneigung gegen Frauen" heilen wird. Auf dem Planeten versammeln sie sich in einem Café und sehen dem verführerischen Tanz einer argelianischen Frau zu, der an Bauchtanz oder nahöstliche Tänze der Erde erinnert. Scott ist besonders von der Tänzerin fasziniert. Er schlägt ihr vor, einen Spaziergang im Nebel zu machen, und sie stimmt freudig zu.

Als Kirk und McCoy später die dicht vernebelte Gasse betreten, hören sie die Schreie einer Frau und stellen bald fest, dass es sich um die Tänzerin handelt, die mit Scott gegangen ist. Sie hat ein Dutzend Messerstiche abbekommen und ist tot. In der Nähe finden sie Scott, der an der Wand lehnt und ein blutverschmiertes Messer in der Hand hält…
Die Ermittlungen führen die Besatzung der Enterprise auf die Spur eines bösartigen, körperlosen Wesens, das humanoide Körper annimmt und von Planet zu Planet reist, um Frauen zu ermorden und sich von deren Angst zu ernähren, eines Wesens das auf der Erde des 19. Jahrhunderts in Whitechapel seine blutige Spur hinterließ.

Laut Spock würde ein Wesen, das sich von Angst und Schrecken ernährt, auf Argelius ein perfektes Jagdrevier finden - ein Planet ohne Gewalt, auf dem die Bewohner so friedlich wie Schafe sind und das Wesen ein hungriger Wolf in dieser Herde….


Die bekannte TV-Episode, geschrieben von „Psycho“- Autor und Lovecraft-Adept Robert Bloch, war nicht dessen erster Abstecher ins Ripper-Thema. Die Séance-Szene, die in der Dunkelheit und einem Mord endet, ähnelt sehr einer Szene in der klassischen Kurzgeschichte „Yours Truly, Jack The Rippe“r desselben Robert Bloch. Bevor sie als lose Grundlage für diese Trek-Episode diente, wurde Blochs Kurzgeschichte 1961 in einer Episode von „Thriller“ adaptiert, die ebenfalls den Titel „Yours Truly, Jack The Ripper“ trug.




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"FLUCHT IN DIE ZUKUNFT (1979)" - Nicholas Meyer

- TIME AFTER TIME -


 

 

Eine weitere lobende Erwähnung verdient unbedingt der brillante Sci-Fi-Thriller (inklusive Kulturclash) „Flucht in die Zukunft“ von „Star Trek II“ Autor Nicholas Meyer, in dem ein umwerfender Malcolm McDowell als H.G. Wells dem Ripper vom 19. Ins 20. Jahrhundert folgt, als dieser, gespielt von David Warner, in Wells Zeitmaschine aus dem Londoner Nebel entkommen kann.

Ausführliche Besprechung findet sich hier: https://uncahierducinema.blogspot.com/2022/01/time-after-time-1979-dt-flucht-in-die.html



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Sollte sich an dieser Stelle jetzt jemand fragen, nachdem all diese Filme nicht den tatsächlichen, höchstwahrscheinlichen Täter enthüllen, wer denn nun wirklich jener Ripper war, der London im Herbst 1888 in Panik versetzte, so kann ich an dieser Stelle auch diese Frage beantworten.

Wenn ich mich nicht sehr irre, und nach all den Jahren der Beschäftigung mit dem Thema glaube ich nicht mehr, dass ich mich irre, dann ist dieser Mann hier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Jack The Ripper:






Donnerstag, 6. April 2023

OSTER SPECIAL: DIE TOP TEN DER BESTEN JESUS – FILME

Buchstäblich auf seine Ideale festgenagelt: Yeshua aus Nazareth

 


Es ist das vermutlich meistverfilmte Sujet der Filmgeschichte und zu Ostern dürfte es wieder auf uns zukommen: Filme über das Leben Jesu. Bereits 1906 inszenierte die erste Regisseurin der Filmgeschichte Alice Guy-Blaché, ihr, damals mit 33 Minuten überlanges, Epos „La vie et la mort du Christ“ – und das war nicht einmal der erste Vertreter seiner Art.





"Das Leben Christi" von Alice Guy-Blaché der ersten Regisseurin der Filmgeschichte,
die als Erste den Wandel zum Spielfilm vollzog.



Viele dieser Filme sind geistlos, tumb und von naiver Frömmlerei geprägt oder künstlerisch ohne Bedeutung. Es gibt aber löbliche Ausnahmen. Daher hier meine Top Eleven, sortiert von Platz 1 (Bester) bis Platz 11 (Schwächster); Hier wurden Filme aufgenommen die entweder das Leben Jesu abhandeln oder direkt damit verknüpft sind, z.B. über die Kreuzigung.

Die Filme in dieser Liste, mit Ausnahme der letzten Plätze, sind entweder künstlerisch bedeutende Arbeiten oder wenigstens sehr unterhaltsam, manchmal beides.


Kein Fall für unsere Liste: Claude Heater der (im Film) gesichtslose Jesus
 aus "Ben Hur" von 1959




Arbeiten die nicht über offizielle Produktionsgesellschaften entstanden, sondern direkt von christlich-fundamentalistischen Gesellschaften oder Konzernen der (pseudo)christlichen Rechten produziert und konzipiert wurden, sind ausdrücklich nicht berücksichtigt.



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DIE LISTE:






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1.) „Die letzte Versuchung Christi (1988)“ – Martin Scorsese.

- The Last Temptation of Christ –


Willem Dafoe in "Die letzte Versuchung Christi": Kühne Schauspielerleistung




Der verfemte Skandalfilm nach dem Roman von Nikos Kazantzakis ist in Wirklichkeit ein tiefreligiöser, theologisch radikaler, herausfordernder Film und ein tollkühn inszeniertes künstlerisches Meisterwerk, abgetrotzt einer Zeit und einer Gesellschaft die ihn nicht haben wollte. Sinnlicher, philosophisch tiefer und aufwühlender ist die Geschichte nie erzählt worden.




Sogar viele Muslime und Atheisten schätzen „Die letzte Versuchung Christi“.

Besetzt mit Willem Dafoe, in einer der mutigsten Schauspielerleistungen der Filmgeschichte, als Jesus, Harvey Keitel als Judas, Barbara Hershey als Maria von Magdala, Harry Dean Stanton als Paulus, David Bowie (!) als Pontius Pilatus. Komplexes Drehbuch von Paul Schrader („Taxi Driver“). Ausnahmesoundtrack von Peter Gabriel, absolut sensationelle Arbeit von Kameramann Michael Ballhaus und Cutterin Thelma Schoonmaker.











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2.) „ Jesus von Nazareth (1977)“ – Franco Zeffirelli
- Jesus of Nazareth/Gesu di Nazareth –




Ikonisch: Robert Powell als Christus für Franco Zeffirelli




Die beste konventionelle Jesus-Verfilmung als aufwendiger, kreativer britischer Vierteiler mit internationaler Starbesetzung: Peter Ustinov, James Earl Jones, Olivia Hussey, Anne Bancroft, Sir Laurence Olivier, Anthony Quinn, James Mason, Rod Steiger, Claudia Cardinale, Michael York, Stacy Keach, Donald Pleasance, James Farentino und Ian Holm. Herausragend Robert Powells unglaublich leidenschaftliche, teils elektrisierende Darstellung in der Titelrolle (nominiert für den britischen Filmpreis als bester Hauptdarsteller).


Drehbuch von Anthony Burgess („A Clockwork Orange“), Suso CecchiD’Amico und Zeffirelli nach den vier Evangelien. Beachtlich die hohe historische Akkuratesse in der Rekonstruktion der jüdischen Kultur zur Zeit Jesu. Grandios fotografiert von Oscarpreisträger David Watkin („The Deer Hunter“). Gänsehaut-Soundtrack von Maurice Jarré („Lawrence von Arabien“).










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3.) „Das erste Evangelium nach Matthäus (1964)“ – Pier Paolo Pasolini

- Il Vangelo Secondo Matteo –







Mit Pasolini lieferte ausgerechnet ein kirchenkritischer homosexueller Kommunist eine der besten Jesus-Verfilmungen überhaupt. Kompromisslos neorealistisch, in sinnlichem, rauem Schwarzweiß gedreht, stützt sich der bewusst anrührend schlichte Film wortgetreu auf das Matthäusevangelium.


Jesus, mit beispiellos zorniger Entschlossenheit gespielt von Enrique Irazoqui, wird hier zum mutigen Sozialrebell gegen das Establishment. Komplett besetzt mit Laiendarstellern aus dem Ort Matera. Expressionistische Filmmusik von Luis Bacalov. Bei der Uraufführung im Vatikan gab es für diesen radikal-avantgardistischen Ansatz volle 40 Minuten Applaus.









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4.) „König der Könige (1927)“ – Cecil B. DeMille

- King of Kings –




Cecil B. DeMilles Version der Kreuzigung (1927)





Ikonographischer Hollywood-Kintopp vom Erfinder des Hollywood-Monumentalfilms, Cecil B. DeMille („Die zehn Gebote“ 1956), der der naiven Frömmelei maximale Schauwerte abgewinnt und filmemacherisch bis heute beeindruckt, nicht zuletzt aufgrund des hohen Aufwands, besonders in den Massenszenen. Drehbuch von DeMilles Lieblingsautorin Jeannie McPherson. In den Hauptrollen H.B. Warner als Jesus, Dorothy Cumming als Maria und Joseph Schildkraut (als Judas).

Obschon ein Stummfilm der 20iger, sind Prolog und Auferstehung bereits in Farbe! Philosophin Ayn Rand war hier Statistin. Das riesige Tor nach Jerusalem wurde 1933 in „King Kong“ wiederverwendet. Einige der Zwischentitel sind Aramäisch.













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5.) „König der Könige (1961)“ – Nicholas Ray

- King of Kings –




Jeffrey Hunter, alias Captain Christopher Pike (Star Trek), als Jesus


Klassischer Hollywood-Monumentalfilm und Tonfilm-Remake des DeMille-Films, in Farbe und Breitwand, entstanden im Gefolge von „Ben Hur“ (1959). Mit damals astronomischem 5 Millionen Dollar Budget und enormem Prunk in Spanien gedreht. Teenie-Idol Jeffrey Hunter spielt einen deutlich überirdischen Jesus, Siobhan McKenna Maria, Robert Ryan Johannes den Täufer, Carmen Sevilla Maria von Magdala, Frank Thring Herodes Antipas und Rip Torn Judas Iskariot. Grandiose Kameraarbeit (Kamera: Leon Shamroy) und bemerkenswerter, wuchtiger Soundtrack vom großen Miklos Rozsa („Ben Hur“, „Ivanhoe“).

Erstaunlich intelligentes Drehbuch von Philip Yordan mit vielen künstlerischen Freiheiten. Der Prolog stammt aus der Feder von Ray Bradbury, gesprochen von Orson Welles. Als Stimme des Teufels: Ray Milland („Bei Anruf Mord“). Extrem kurzweiliger, prachtvoller Schau- und Erbauungs-Schinken.









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6.) „Barabbas“ (1961) – Richard Fleischer

- Barabbas –


Die Kreuzigung - zum ersten und einzigen Mal während einer echten Sonnenfinsternis gedreht,





Opulente italienische Verfilmung des Romans von Literaturnobelpreisträger Pär Lagerkvist, mit Anthony Quinn in der Rolle des Mannes, der statt Jesus die Freiheit erhält und ein Leben lang vom Schatten des Kreuzes verfolgt, vom Verbrecher zum Sklaven, dann Gladiator wird, bis er, als alter Mann, beim Brand von Rom zum Christen wird. Von Dino de Laurentiis als intelligenter Monumentalfilm in Farbe und Cinemascope produziert und stilsicher inszeniert von Hollywood-Routinier Richard Fleischer („20 000 Meilen unter dem Meer“ 1954, „Der Frauenmörder von Boston“ 1968).

In weiteren Rollen Silvana Mangano, Arthur Kennedy, Vittorio Gassman, Jack Palance und Ernest Borgnine. Gänsehaut-Soundtrack von Mario Nascimbene. Die Kreuzigung wurde während einer echten Sonnenfinsternis gedreht. Zehntausende Statisten waren im Einsatz.








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7.) „Son Of Man“ (1969) aus der BBC-Reihe „The Wednesday Play“ – Gareth Davies

- - Son Of Man -




Als wütender Jesus der Arbeiterklasse: Colin Blakely






Colin Blakely spielt einen Arbeiterklasse-Jesus in einem fürs TV entstandenen grimmigen, schwarzweißen Sinnsuche-Drama nach einem Text des Dramatikers Dennis Potter.

Dennis Potters kontroverse Lesart des Lebens Christi, in der Jesus als herzlicher, feuriger, wohlmeinender Zimmermann dargestellt wird, der der Meinung ist, dass die Menschen versuchen sollten, ihre Feinde zu lieben, anstatt ständig zu kämpfen, der aber von Selbstzweifeln geplagt wird, ob er der von der Bevölkerung erwartete Messias ist oder nicht, ist auf Deutsch nie erschienen.






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8.) „Das Gewand (1953)“ – Henry Koster

- The Robe –





Victor Mature, kurz bevor "Das Gewand" Jesu verteilt wird.



Klassischer Hollywood-Monumentalfilm, nach dem Bestseller von Lloyd C. Douglas, mit einem gewissen Tiefgang, und der erste abendfüllende Spielfilm im Cinemascope-Breitwandformat. Ein blutjunger Richard Burton spielt den Hauptmann der die Kreuzigung Jesu leitet, und beim Würfelspiel das Gewand des Messias gewinnt, das er an den Sklaven Demetrius weitergibt. Alptraumhafte Visionen der Kreuzigung treiben ihn später von Rom nach Judäa zurück, um das Gewand, und damit Erlösung, zu finden…..

Oscarnominierter chorischer Soundtrack von Alfred Newman. In weiteren Hauptrollen Jean Simmons, Victor Mature, Michael Rennie und Dean Jagger. Aufwendig und trotz eines gewissen Kitschfaktors sehenswert, wenngleich etwas statisch, da man mit dem Breitwandformat noch nicht vertraut war.










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9.) „Die Passion Christi (2004)“ – Mel Gibson

- The Passion oft he Christ –




Blut und Gekröse:  Jim Caviezel als Mel Gibsons fundamentalistischer Jesus





Eine so eindrucksvolle wie manipulative filmische Schlachtplatte, die weniger auf den Evangelien als auf den 14 Kreuzwegsstationen und v.a. der Schrift „Das bittere Leiden unsers Herrn Jesu Christi“ der seliggesprochenen Mystikerin Anna Katharina Emmerick aus Dülmen basiert. In dieser an Splatter- und Gore-Effekten reichen, teils sadistisch angehauchten Passionsgeschichte mit Jim Caviezel als Jesus wird dieser zum bloßen König der Schmerzen. Die Finanzierung des Films war in wesentlichen Teilen nur durch US-Evangelikale und Fundamentalisten möglich.


Aramäisch, Hebräisch und Latein mit Untertiteln. Einzelne, tief bewegende Momente täuschen nicht darüber hinweg, dass dieser hocheffektive, technisch brillante Film nur Mache mit zwiespältigem Beigeschmack ist.









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10.) „Die größte Geschichte aller Zeiten (1965)“ – George Stevens sr.

- The Greatest Story Ever Told –




Großer Schauspieler in Breitwand verschenkt: Max von Sydow als Jesus.





Der zweite grosse Hollywood-Bibelfilm über das Leben Jesu, mit völlig anderem Ansatz als „König der Könige“, basierend auf Fulton Ourslers gleichnamigem Buch. Obgleich der große Max von Sydow sich in der Hauptrolle trefflich müht, hat er gegen die exzessive Zurückhaltung und frömmlerische Feierlichkeit der Regie keine Chance. Obschon visuell, zumal auf der Großleinwand absolut sensationell und trotz einer beeindruckenden von Händel und Verdi durchzogenen Filmmusik (Alfred Newman), erschlägt die statische, behäbige Inszenierung in ihrer pietistischen Antiseptik die Handlung.




Enorm schleppend, in Ausschnitten aber sehr eindrucksvoll. Starbesetzung umfasst u.a. José Ferrer, Charlton Heston, Roddy McDowall, John Wayne, Shelley Winters, Claude Rains, Telly Savalas, Dorothy McGuire und mit Sidney Poitier, als Simon von Cyrene, den ersten Schwarzen in einem Jesus-Film.
Gedreht am Grand Canyon und im Monument Valley.









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11.) „Der Messias (1975)“ – Roberto Rossellini

- Il Messia –




Pier Maria Rossi als Jesus in Rossellinis langweiligem Nachklapp.





Roberto Rossellinis letzter, in Tunesien gedrehter, Film behandelt die Evangelien sehr werkgetreu und unaufgeregt, folgt dabei einem ähnlichen Ansatz wie „Die größte Geschichte aller Zeiten“, jedoch ohne dessen Schauwerte. Lange Einstellungen sollen meditative Kraft erzeugen und geben den Schauspielern Raum für Natürlichkeit und Improvisation.

Pier Maria Rossi kann sich mit den besseren Darstellern dieser Figur nicht messen, neben Dafoe, Powell oder Irazoqui verblasst er. Zudem verweigert der Film jede Darstellung von Gewalt, weshalb z.B. der Vollzug der Kreuzigung ausgespart wird. Ein ernsthafter, seriöser Versuch mit formal strengem Konzept, aber für ein nicht-asketisches Publikum- trotz interessantem Soundtrack von Mario Nascimbene- zu reizlos.
















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