Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Dienstag, 17. Mai 2022

ANGELA LANSBURY - VERBEUGUNG VOR EINER LEGENDE

 




„Mom, ich weiß das sehr zu schätzen. Du wirst die erste sein, der ich bei den Tonys danke, nach der großen Angela Lansbury. Mach's gut.“

LISA SIMPSON in “DIE SIMPSONS” Staffel 27, Folge 07 – “ Lisa on Broadway“

 

“Niemand fand je eine Rolle, die Angela Lansbury nicht spielen konnte”

GLENN CLOSE









Eine Dame in mittlerem Alter auf einem Fahrrad, die die Küstenstraße des neuenglischen Cabot Cove entlangfährt, dann zu Hause ein Blatt Papier in die Schreibmaschine spannt und dabei ihre Brille zurechtrückt, dies alles zu den Klängen der Titelmusik von John Addison – so lernte die Mehrheit der deutschen Zuschauer ab dem 12. April 1988 im Vorspann einer Serie, die damals noch „Immer wenn sie Krimis schrieb“ hieß, im Vorabendprogramm der ARD Angela Lansbury kennen.


Angela Lansbury als Jessica Fletcher



Aber kaum jemand im deutschen Publikum wusste damals mehr über die bereits 41-Jahre andauernde Karriere von Dame Angela Lansbury. Man wusste nicht wirklich WER sie war.

Die britische Schauspielerin die im Alter von 14 Jahren in die USA immigrierte, und bei uns als Krimiautorin Jessica Fletcher aus "Mord ist ihr Hobby" und als Teekanne Mrs. Potts aus Disneys "Die Schöne und das Biest (1990)" (sie sang auch den Titelsong) bekannt ist, gilt in den USA als Kinolegende und eine der größten Theaterschauspielerinnen des 20. Jahrhunderts.

Ein Blick zurück.



Angela Lansbury als Kind in London




Angela Brigid Lansbury wurde am 16. Oktober 1925 im Stadtteil St. Pancras im Zentrum Londons in einer Familie der oberen Mittelschicht geboren. Ihre Mutter war die aus Belfast stammende Schauspielerin Moyna Macgill , die regelmäßig im West End auf der Bühne stand und auch in mehreren Filmen mitgespielt hatte.

Ihr Vater war der wohlhabende englische Holzhändler und Politiker Edgar Lansbury, Mitglied der Kommunistischen Partei Großbritanniens und ehemaliger Bürgermeister des Metropolitan Borough of Poplar.


Lansbury, Zweite von links, mit ihren Brüdern und ihrer älteren Schwester, die später
Peter Ustinovs Ehefrau wird



Als Lansbury neun Jahre alt war, starb ihr Vater an Magenkrebs; als Bewältigungsmechanismus zog sie sich in das Spielen von Rollen zurück. Angesichts finanzieller Schwierigkeiten verlobte sich ihre Mutter mit einem schottischen Oberst, Leckie Forbes, und zog in sein Haus in Hampstead, wo Lansbury von 1934 bis 1939 eine Ausbildung an der South Hampstead High School erhielt.

Dennoch betrachtete sie sich als weitgehend autodidaktisch, lernte aus Büchern, am Theater und im Kino. Sie bekannte sich selbst als "komplette Filmverrückte", die regelmäßig ins Kino ging und sich in bestimmte Figuren hineinversetzte. Da sie gerne Klavier spielte, studierte sie kurzzeitig Musik an der Ritman School of Dancing und begann 1940 ein Schauspielstudium an der Webber Douglas School of Singing and Dramatic Art in Kensington, West London, wo sie zum ersten Mal als Hofdame in der Schulproduktion von Maxwell Andersons „ Mary of Scotland" auf der Bühne stand.


Angela Lansbury (rechts) mit Mutter und älterer Schwester




Im selben Jahr starb Angelas Großvater, und als der Blitzkrieg ausbrach, beschloss Macgill, Angela, die damals 14 war, und ihre Brüder Bruce und Edgar in die Vereinigten Staaten zu bringen.

Lansbury erhielt ein Stipendium des American Theatre Wing, das ihr ein Studium an der Feagin School of Drama and Radio ermöglichte, wo sie in Aufführungen von William Congreves“ The Way of the World“ und Oscar Wildes „Lady Windermere's Fächer“ auftrat. Sie schloss ihr Studium im März 1942 ab und zog mit ihrer Familie in eine Wohnung in der Morton Street in Greenwich Village und später nach Los Angeles

Sie zogen in einen Bungalow in Laurel Canyon und Lansbury bekam einen Weihnachtsjob im Kaufhaus Bullocks Wilshire in Los Angeles; wobei die Familie von Lansburys Lohn von 28 Dollar pro Woche leben musste.

Auf einer von ihrer Mutter veranstalteten Party lernte Lansbury John van Druten kennen, der kurz zuvor ein Drehbuch für „Das Haus der Lady Alquist“ (1944) verfasst hatte, einen Mystery-Thriller, der auf Patrick Hamiltons Theaterstück „Gaslicht“ von 1938 basierte (http://uncahierducinema.blogspot.com/2019/05/deine-mutter-war-wahnsinnig-das-haus.html) . Der Film, der im viktorianischen London spielt, sollte von George Cukor inszeniert werden, für die Hauptrolle war Ingrid Bergman vorgesehen.

Van Druten verschaffte ihr einen Screentest.

1943 im Alter von 17 Jahren ergatterte sie die Rolle des unzüchtigen Dienstmädchens Nancy in „Das Haus der Lady Alquist“. Sie erhielt zwar nur wenige hundert Dollar Gage, fiel aber mit ihrer außerordentlichen Präsenz und Intensität sofort auf und erspielte sich - bereits in ihrem Filmdebüt! -eine Oscarnominierung als beste Nebendarstellerin.


Hier ihr allerallerste Szene als Schauspielerin:





Es folgte eine Karriere von 79 Jahren, in der sie in 112 Film und TV Produktionen auftrat.

Im Laufe ihrer langen Filmkarriere avancierte sie zu einer der gefragtesten und respektiertesten Nebendarstellerinnen Hollywoods.


Spitzbübin par Excellence



Sie spielte mit Charles Boyer,Ingrid Bergman, Elisabeth Taylor, Judy Garland, John Carradine, Spencer Tracy, Katharine Hepburn, Lana Turner, Gene Kelly, Hedy Lamarr, Victor Mature, Deborah Kerr, Janet Leigh, Tony Curtis, Randolph Scott, Danny Kaye, Basil Rathbone, Joanne Woodward, Orson Welles, Paul Newman, Rex Harrison, Glenn Ford, Lee j. Cobb, Elvis Presley, Peter Finch, Jane Fonda, Frank Sinatra, Laurence Harvey, Warren Beatty, Eva Marie Saint, Sophia Loren, Maurice Chevalier, Kim Novak, Peter Sellers, Geraldine Page, Max von Sydow, Charlton Heston, David Tomlinson, Glynnis Johns, James Garner, Jean Simmons, Roddy McDowall, Peter Ustinov, Mia Farrow, Jane Birkin, George Kennedy, Bette Davis, Olivia Hussey, Maggie Smith, Elliout Gould, Cybil Sheperd, Rock Hudson, Lee Remick, Christopher Plummer, Laurence Olivier, Diana Rigg, Jack Nicholson, Kathy Bates, Emma Thompson, Colin Firth, Jim Carrey, Emily Watson, Michael Gambon, Emily Blunt, Julie Walters, Meryl Streep und Dick Van Dyke.


Promo-Foto mit blutjunger Lansbury



... und hier in mondän.



Als Prinzessin Semadar in "Samson und Delilah", 1949




Auch in ersten dramatischen Rollen ein Kracher: Angela Lansbury



Spielte sie dabei in den 40iger Jahren noch größere Rollen als jugendliche Liebhaberin, rutschte sie in den 50igern aufgrund ihres „britischen Gesichts“ mit den „zu großen Augen“ und ihrer etwas altjüngferlichen Ausstrahlung schnell in oft eher uninteressante Nebenrollen. Hauptrollen erhielt sie erst in den 1950er Jahren, zum Filmstar schaffte sie es jedoch nie.  


Ihre musikalische Begabung ist aber bereits ab und an erkennbar (Ausschnitt aus "Die Harvey Girls")....






Lansbury mit Ehemann Peter Shaw (nein, nicht der von den Drei Fragezeichen)




Lansbury als junge Mutter




So gab die Mutter dreier Kinder nach 38 Filmen und Fernsehspielen 1957 ihr Broadwaydebüt – mit George Feydeaus Farce „Hotel Paradiso“ und startete parallel eine umfangreiche Bühnenlaufbahn.



Ihr erstes Broadway-Musical "Anyone Can Whistle",1964



Mit Danny Kaye in "Der Hofnarr" 1955



Als Mutter von Elvis 1961 in "Blaues Hawaii" - der nur neun Jahre jünger war



Sie erspielte sich zwei weitere Oscarnominierungen als beste Nebendarstellerin, 1945 für „das Bildnis des Dorian Gray“ und 1962 für ihre unvergessliche Tour de Force als Laurence Harveys eiskalt –psychopathische Mutter in „Botschafter der Angst“ (dem überlegenen Original von „The Manchurian Candidate“), gewann jedoch nie.



In "Das Bildnis des Dorian Grey"










Dieser meisterhafte und wegweisende Politthriller von John Frankenheimer entstand nach dem Roman von Richard Condon:

Während des Koreakriegs gerät eine amerikanische Infanterieeinheit in einen Hinterhalt und wird gefangengenommen. Als die Überlebenden – für den Zuschauer zunächst überraschend – in die USA zurückkehren, wird Sergeant Raymond Shaw (Laurence Harvey) als Kriegsheld gefeiert, da er laut der übereinstimmenden Aussagen seiner Kameraden den Trupp gerettet hat.


Eine der größten Schauspielerleistungen der 60iger Jahre: Lansbury in "Botschafter der Angst"



Die Erklärung für den Widerspruch findet Shaws früherer Vorgesetzter Major Ben Marco (Frank Sinatra) in seinen eigenen Alpträumen, die zeigen, wie die Soldaten in chinesischer Gefangenschaft einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Shaw wurde dabei zu einem skrupellosen Mordinstrument umfunktioniert. Er wird von kommunistischen Agenten kontaktiert, die ihn mittels eines Auslösemechanismus dazu bringen, Morde zu begehen, an die er sich hinterher nicht erinnert. Marco versucht Kontakt zu Shaw aufzunehmen....




 

Der Film ist so intensiv gemacht, dass er geeignet ist Paranoia zu erzeugen. Höhepunkt ist die Rolle von Shaws monströser Mutter, Mrs. Iselin, die durch die unvergessliche Darstellung von Angela Lansbury zu einer der unheimlichsten Figuren der Kinogeschichte wird – eine Schauspielerleistung so legendär, dass man im späteren Remake Meryl Streep für diese Rolle besetzen musste, da niemand sonst dem Vorbild hätte standhalten können.....

Nach der Ermordung John F. Kennedys zog Produzent Sinatra den Film sofort aus dem Verleih.


Nach einer,trotz dreier Oscarnominierungen, stagnierenden Kino-Karriere wechselte sie Mitte der 60er ans Theater.


Am Broadway , 1975, in "Gypsy"



Durch ihren Wechsel zur Bühne wurde aus der - durchaus atemberaubend schönen - Jungdarstellerin im Hollywood der 40er und 50iger Jahre, die zwei Oscarnominierungen errang bevor sie 19 Jahre alt war, und ewigen Nebendarstellerin der Frühsechziger, schließlich die größte Musicalschauspielerin am Broadway.

Hier, erst hier, konnte sich Lansburys herausragendes Talent zur vollen Gänze entfalten. Eine erfahrene, unfassbar versatile Schauspielerin mit Hollywoodlaufbahn, Bühnenerfahrung, Gesangs- und Tanzausbildung, dazu mit 100-Kilowatt Präsenz  – darauf hatte der Broadway nur gewartet. In ihrem Durchbruch „Mame“ von 1966, explodierte sie regelrecht, riss das Publikum zu Begeisterungsstürmen und wurde buchstäblich über Nacht zum Star.


Durchbruchsrolle am Theater: Lansbury als "Mame", 1966










"You've brought the cake-walk back into style, Mame
You make the weepin' willow tree smile, Mame!"






So entwickelte sie sich zur gefeierten Bühnendarstellerin, gewann in einem Zeitraum von nur 12 Jahren viermal den Tony Award als beste Hauptdarstellerin in einem Musical 1966 für „Mame“,1969 für „Dear World“, 1975 für „Gypsy“ und 1979 für „Sweeney Todd“ (die spätere Helena Bonham-Carter Rolle) – ein bislang unübertroffener Rekord.


Lansbury in "Dear World" nach "Die Irre von Chaillot"
von Giraudeaux



Als Mrs. Lovett in "Sweeney Todd", 1978



"Down by the Sea" aus "Sweeney Todd":





"Everything's coming up roses" aus "Gypsy":





"I don't want to know" aus "Dear World"





Als bis dahin einziger Schauspielerin gelang es ihr insgesamt SECHSMAL den höchsten US Theaterpreis, den Tony Award zu gewinnen. Und zwar für....


1966 MAME - Beste Hauptdarstellerin in einem Musical [noch keine TV Übertragung der Verleihung]

1969 DEAR WORLD (Musicalfassung von Giraudoux "Die Irre von Chaillot")- Beste Hauptdarstellerin in einem Musical

1975 GIPSY - Beste Hauptdarstellerin in einem Musical

1979 SWEENEY TODD - Beste Hauptdarstellerin in einem Musical

2009 BLYTHE SPIRIT - Beste Nebendarstellerin in einem Drama

2022  EHREN-TONY-AWARD für ihr Lebenswerk im Theater



Clips der Preisverleihungen hier: 





Die bis in ihr letztes Lebensjahr aktive Bühnenschauspielerin erhielt auch zweimal den Off-Broadway Preis "Drama Desk Award" (1975 und 1979).


Als Anna Leonowens in "The King And I"



Probe für "Mame" mit Partnerin Bea Arthur, die später als Dorothy bei
den "Golden Girls" berühmt wird



Lansbury schminkt sich für "Dear World", 1969






Anfang der 70iger kehrte sie mit Disneys „Die tollkühne Hexe in ihrem fliegendem Bett“ auf die Leinwand zurück – in einer Hauptrolle.


Als gutmütige Hexe Eglantine Price




„Bedknobs and Broomsticks" wie Disneys unterschätztes Kino-Musical von 1971 mit Angela Lansbury & David Tomlinson im Original heißt, punktete mit , für die damalige Zeit, sensationellen Trick-Effekten, sowie mehreren genialen Zeichentrick-Sequenzen ("Fußballspiel der Tiere").

Regie in der Geschichte um eine gutmütige Hexe zur Zeit des "London Blitz" 1940, die den Nazis mit Zauberei heimleuchten will, aber ein paar Waisenkinder zur Pflege aufgedrückt bekommt, führte "Mary-Poppins"-Regisseur Robert Stevenson.

Die Songs stammen von Richard B. und Robert M. Sherman (den Song-Autoren von "Mary Poppins"). "Bedknobs and Broomsticks" war Angela Lansburys Rückkehr ins Kino, nach einer Abstinenz von 8 Jahren, in denen sie am Broadway die ersten 2, ihrer 6 Tony Awards gewonnen hatte (Beste Hauptdarstellerin in einem Musical für " Mame" 1966 und "Dear World" 1969).

Lansbury hatte zu dem Stoff verständlicherweise einen sehr persönlichen Bezug...sie selbst war ja während der Luftangriffe auf London im Alter von fast 15 Jahren mit ihrer Mutter und ihren Brüdern in die USA geflohen - war also damals nur drei Jahre älter gewesen, als die kindlichen Protagonisten dieses Films.

4 Jahre später hatte sie dann mit "Das Haus der Lady Alquist" ihr Kinodebüt gegeben.

Die restaurierte Langfassung, bei uns unbekannt, dauert volle 138 Minuten, und ist damit knapp 40 (!) Minuten länger als die brutal gekürzte Deutsche Verleihfassung, in der fast alle Songs und Musiknummern geschnitten sind.




Als schillernde Salome Otterbourne in "Tod auf dem Nil"



Lansbury spielte in der Folge wichtige Nebenrollen in Großproduktionen wie „Tod auf dem Nil (1977)“, vereinzelt aber auch Hauptrollen, wie im Remake von „Eine Dame verschwindet“ (1979) oder als ältliche Miss Marple in „Mord im Spiegel“(1980).


Als Miss Jane Marple in "Mord im Spiegel"




Als man ihr 1984 „Mord ist ihr Hobby“ (Murder She Wrote) anbot, die TV- Serie die ihr – trotz oft extrem seichter Drehbücher - internationale Bekanntheit brachte, blickte sie also schon auf über 40 Berufsjahre zurück, und galt als geachtete und beliebte Größe der Branche. „Mord ist ihr Hobby“ war eine Entwicklung der Columbo-Erfinder Richard Levinson und William Link, die, sehr lose, auf Agatha Christies Schöpfung der ermittelnden Kriminalschriftstellerin Ariadne Oliver zurückging.







„Mord ist ihr Hobby“ lief zwölf Jahre lang, von 1984 bis 1996, und brachte Angela Lansbury 12 Emmy Nominierungen als beste Hauptdarstellerin in einer Drama-Serie ein, und obgleich sie nie gewann, ist auch das ein bis heute unübertroffener Rekord.

Die Schauspielerin wurde 17 Mal für den Emmy nominiert, hat aber nie gewonnen, obwohl sie 1996 in die Hall of Fame der Television Academy aufgenommen wurde.

Darüber hinaus erhielt sie insgesamt 6 Golden Globes, davon 4 für „Mord ist ihr Hobby“.








Ende der 80iger begann sie dann auch als Sprecherin zu arbeiten. In Disneys „Die Schöne und das Biest (1990)“ sprach sie Teekanne Mrs.Potts und sang in der Rolle auch das Titellied „Beauty and the Beast“ das nicht zuletzt wegen ihrer Interpretation den Oscar gewann.


Als Mrs. Potts/Madame Pottine in "Die Schöne und das Biest", 1990



Den Song "Beauty and The Beast" wollte Lansbury übrigens ursprünglich nicht singen, da sie sich stimmlich für zu schwach hielt, aber Komponist Alan Menken konnte sie zum Glück überreden. Die vorliegende Aufnahme aus dem Film sang sie, ohne Probe, auf Anhieb in einem einzigen Take - was umso bemerkenswerter ist, wenn man weiß, dass sie damals direkt vom Flughafen ins Studio gerast war, da ihr Flug wegen einer akuten Bombendrohung massive Verspätung gehabt hatte.

Der Song war auch die letzte Arbeit und das Vermächtnis von Songtexter Howard Ashman ("Arielle die Meerjungfrau") der 1991 an Aids starb und posthum mit dem Oscar für den besten Filmsong ausgezeichnet wurde:





2009 gewann sie einen fünften Tony Award (Rekord!) als beste Nebendarstellerin in einem Theaterstück für Noel Cowards Salonkomödie „Geisterkomödie“ („Blythe Spirit“) – in der Rolle der schillernden Hellseherin Madame Arcati, seinerzeit die Durchbruchsrolle der großen Margaret Rutherford


Tony-prämiert als Madame Arcati in "Geisterkomödie"



Angela Lansbury stand bis zuletzt auf der Bühne  – so in dieser Hommage anläßlich der Verleihung des Ehren -Laurence Olivier Awards an den legendären Librettisten und Musicalkomponisten Stephen Sondheim (er war der Songtexter von „West Side Story“ und Komponist von „Sweeney Todd“):




... oder hier mit ihrer alten Partnerin aus "Mame" im Duett "Bosom Buddies", 1989:





Stephen Sondheims Jahrhundertnummer "Send In The Clowns"...



"Beauty And The Beast", 2017, live mit dem Mormon Tabernacle Choir





Eine grandiose Altersrolle spielte Lansbury 2013 in „Driving Miss Daisy“ (Miss Daisy und ihr Chauffeur) von Alfred Uhry. Viele kennen den oscarprämierten Film von 1989 mit Morgan Freeman und der brillanten (oscarprämierten) Jessica Tandy in den Hauptrollen und haben auch noch den klassischen Hans-Zimmer-Soundtrack im Ohr.

Aber wenige im deutschsprachigen Raum wissen, dass es sich ursprünglich um ein Bühnenstück handelt, genauer ein Drei-Personen-Stück, das 1987 als Off-Broadway-Produktion debütierte.


Mit James Earl Jones in "Driving Miss Daisy"



Im Jahr 2010 wagte David Esbjornson eine Broadway-Neuinszenierung von „Driving Miss Daisy“ die später auch im Londoner Westend lief. Die Hauptrollen spielten Theater-Titan James Earl Jones (Hoke), Vanessa Redgrave (Miss Daisy) und Boyd Gaines (Boolie). Während diese Inszenierung in London lief, wurde Jones, 2012 von Sir Ben Kingsley während des Schlussapplauses mit einem Ehren-Oscar für sein Lebenswerk überrascht, was live in die USA übertragen wurde: https://www.youtube.com/watch?v=MI8kKqMWsUc

2013 tourte dieselbe Inszenierung 5 Monate durch lang Australien. Dort wurde sie fürs US-TV gefilmt. Auf Tour wiederholten Jones und Gaines ihre Rollen, die Rolle der Miss Daisy wurde von Dame Angela Lansbury, übernommen, die sich für die Rolle extra einen Südstaaten-Akzent antrainierte.

Die australische Tournee der Broadway-Produktion von Driving Miss Daisy fand vom 9. Februar bis zum 16. Juni 2013 vor ausverkauften Häusern in Brisbane, Sydney, Melbourne, Adelaide und Perth statt. Diese Aufführung des Stücks wurde während der erfolgreichen fünfwöchigen Laufzeit im Comedy Theatre in Melbourne, Australien, vom 5. April bis 12. Mai 2013 mit sechs Kameras in High-Definition-Video gefilmt.


Es ist diese Komplettaufnahme die ich an dieser Stelle zur Verfügung stellen kann:






Für die Dreharbeiten mit sechs Kameras wurde ein lokales Team eingesetzt, und das in Melbourne ansässige unabhängige Unternehmen Soundfirm führte die gesamte Postproduktion - Bild und Ton – durch. Die Inszenierung ist bemerkenswert in jeder Hinsicht: Nicht nur das kreative Bühnenbild und Lichtdesign, die zahlreiche Schauplatzwechsel sinnlich meistern und viel mit Rückprojektionen arbeiten, die gute Musik und die so simple wie raffinierte Art die Autofahrten auf der Bühne umzusetzen, sondern die extrem dichte Inszenierung und vor allem die fantastischen Darstellungen begeistern.

Der Lansbury, damals 88 Jahre alt und in absoluter Hochform, und James Earl Jones, 82, dem besten amerikanischen Theaterdarsteller seiner Zeit, könnte man unbegrenzt zusehen: Ihr Timing, Zusammenspiel, das Zuspielen der Bälle ist ein reiner Traum, der Wechsel von tiefdramatischen Momenten zu menschelnder, hinreißender Komik ist erstaunlich fließend und verblüffend tiefgründig.

Die, in beiden Fällen, mehr als 40 Jahre Theatererfahrung sind auf der Bühne physisch greifbar.


 


Familienmensch: Angela Lansbury mit ihren Kindern


Lansbury mit Sohn Anthony und Tochter Deirdre in den 1970er Jahren



Lansbury mit Sohn Anthony Pullen Shaw und Eneklin Katharine Shaw.




Im selben Jahr, 2013, erhielt Dame Angela Lansbury, Dame Commander Of The British Empire, einen hochverdienten Ehren-Oscar für ihr Lebenswerk:




Und hier die Worte der Laudatoren:

EmmaThompson (besetzte Lansbury im ersten Nanny McPhee Film):




Robert Osborne (Schauspieler, Filmhistoriker, Moderator auf Turner Classic Movies):



Geoffrey Rush (Stand mit Lansbury 2009 in "Deuce" auf der Bühne):








Forever Mame: Dame Angela Lansbury, DBE





Bereits 13 Jahre vorher, war Lansbury vom KENNEDY CENTER FOR PERFOMING ARTS in einer Gala geehrt worden:





Am Dienstag, den 11.Oktober 2020 gaben die Kinder der Schauspielerin in einer Erklärung bekannt, dass Lansbury über Nacht in ihrem Haus in Los Angeles gestorben ist. Sie starb fünf Tage vor ihrem 97. Geburtstag.

Im Juni  2022 war Lansbury bei der 75. Verleihung der Tony Awards mit ihrem sechsten Tony Award für ihr Lebenswerk im Theater ausgezeichnet worden.








Die dreifache Karriere der Angela Lansbury, ist einzigartig; ihr Leben, wie sie diese Karrieren erkämpft, sie sich verdient hat, ist einzigartig. Wie sie geerdeter Familienmensch blieb, niemals abhob, die Demut vor dem Beruf, der Bühne nie verlor, ist einzigartig. Kein anderer lebender Künstler kann auf eine Laufbahn von fast 80 Jahren zurückblicken, auf eine Filmkarriere in der er, sie oder they, quer durch das Rollenspektrum, in praktisch unbegrenzter Bandbreite alles spielt und alles kann: Melodram, Musical, Western, Historienfilm, Thriller, Musical, Krimi und Bibelfilm. 

Kein anderer Künstler und keine andere Künstlerin hat je eine so denkwürdige Bühnenlaufbahn erreicht, niemand außer Angela Lansbury hat jemals 4 Tony Awards als Beste Hauptdarstellerin in einem Musical gewonnen, nicht in so kurzer Folge und auch nicht in längerer. Und keine andere Bühnendarstellerin wurde danach auch noch zum internationalen Fernsehstar der 12 Jahre lang die Prime Time dominiert und für ein-und dieselbe Rolle 12 Emmy-Nominierungen erhalten hat – 12 von insgesamt 17, darunter auch vier für die Moderation der Tony Awards.
 

Um es mit Glenn Close zu sagen.

„Diese Frage wird jedem Schauspieler früher oder später gestellt: Wie verwandelt man sich in eine andere Person? Überlegen Sie mal, wie Angela Lansbury, die den Ruf hat, eine der coolsten und nettesten Frauen in diesem Geschäft zu sein, all diese dämonischen Rollen so gut spielen kann.
 
Sie nennt diese Rollen ihre Hexenrollen. Nun, ich denke, dass es vielleicht zum Teil mit ihrer unglaublich fruchtbaren Vorstellungskraft, ihrer erstaunlichen emotionalen Bandbreite und ihrem tiefen Verständnis für menschliches Verhalten zu tun hat.
 
Aber ich glaube, es ist vielleicht auch etwas anderes. Ich war oft hinter der Bühne, als sie Sweeney Todd aufführte, ich war bei einer Aufführung gleich die Straße runter.

Und was ich immer wieder sah, war ein Star, der sein Talent mit tiefer Demut betrachtete. Ich sah, wie ihr Ensemble ein Spiegelbild ihrer wilden Energie und ihres großzügigen Geistes wurde. Angela umarmt und schätzt die Arbeit und das Talent aller Menschen um sie herum.

Für mich ist das ein echter Star. Sie sagte einmal, Schauspielerei bedeute, andere Menschen wirklich zu verstehen und der Menschlichkeit zu vertrauen. Wenn man das gelernt hat, wird das Publikum jede Botschaft verstehen, die man ihm vermitteln möchte. Und wenn man spürt, dass diese Botschaft angekommen ist, ist das ein himmlisches Gefühl. Wirklich himmlisch, das ist Angela Lansbury.“

GLENN COSE






Angela Lansbury mit Musical-Legende Stephen Sondheim und dem Original-Sweeney-Todd,
Len Cariou