Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Freitag, 5. August 2022

“MEINE TEUFLISCHEN NACHBARN “THE BURBS” (1989)








Immer wieder gerne empfehle ich diesen schwarzhumorigen und wahnsinnig unterhaltsamen, liebevoll gemachten 80iger Jahre-Klassiker mit Starbesetzung und satirischen Untertönen, der uns einen jungen Tom Hanks in Hochform und den großen, kleingewachsenen Schauspieler Henry Gibson in seiner herrlichsten Rollen zeigt…



Erwachsene Ferienbande....







RAY PETERSON: [Sprechchor] Das höre ich mir nicht an, das höre ich mir jetzt nicht an.


ART: Ray! Ray! Du singst im Chor! [zeigt auf das Buch] Ray. Ray, sieh mal Ray, unbewusster Sprechgesang! Du singst!


RAY PETERSON: [singt weiter mit Fingern in den Ohren]


ART: (nickt) „Ich will alle töten. Satan ist gut. Satan ist unser Kumpel.“ Ray. Ray, du rezitierst! Hey, wenn sie


(zeigt auf das Buch)


ART: hier rein kommen...


[deutet auf Rays Kopf]


ART: ...ist es vorbei, Kumpel.

 







Sommer 1989:

In der Karikatur einer amerikanischen Spießbürgervorstadt (Suburb) zeigen sich – ausgerechnet in der langersehnten Urlaubswoche von Ray Peterson (Tom Hanks) - möglicherweise monströse Risse in der heilen Welt….neue, mysteriöse Nachbarn, die Klopeks ziehen hinzu. Aus deren Keller dringen des Nachts Blitze, und einer der einfältigen Söhne vergräbt nachts heimlich etwas ziemlich Großes im Garten.



Unternehmen Entebbe im Vorstädtchen



Ray, sein Freund, der umtriebige Art Weingartner (der kanadische Comedy-Star Rick Docummon), der pensionierte Soldat Lt. Mark Rumsfield (großartig selbstironisch Bruce Dern), nebst Frau und Hund, und der Teenager Ricky Butler (Corey Feldman), dessen Eltern im Urlaub sind, werden hellhörig und steigern sich in reinste Paranoia nachdem Nachbar Walter über Nacht (Walters Zwergpudel Queenie wurde von demselben Hund gespielt, der auch den Pudel Precious in Das Schweigen der Lämmer (1991) spielte) spurlos vom Erdboden verschwunden ist….als Walters Hund einen Knochen ausgräbt scheint sie wahr zu werden – ein Teil von Walter?

Übermannt von Neugier, und ohne auf die Warnungen von Rays Ehefrau (Carrie „Prinzessin Leia“ Fisher) zu hören, brechen die selbsternannten Nachbarschaftsermittler in Walters Haus ein…und finden…..sein verwaistes Toupet!

Jetzt endgültig überzeugt von einem Verbrechen, beginnen die vier (5 mit Hund) zu ermitteln, um die Klopeks als Serienmörder, oder gar, wie Art mutmaßt, verkappte Satanisten, die ihre Opfer im Keller braten, zu überführen. Aber wer sind die eigentlichen Wahnsinnigen? Die durchgedrehten Normal-Spießer oder doch die „teuflischen Nachbarn“?

Und was hat es mit dem geheimnisvollen Dr. Werner Klopek (famos ambivalent: Henry Gibson) auf sich….?




Großer Nebendarsteller:  Henry Gibson.






Dieser absolut hinreißende, enorm unterhaltsame Spaß, der vor ausgelassener sommerlicher Ferienstimmung sprüht, und zugleich eine beißende Satire über den Mikrokosmos „amerikanische Vorstadt“ darstellt, hat alle Ingredienzien einer erfolgreichen 80-iger Jahre Komödie:

Ein köstliches, bis zum Schluss überraschendes Drehbuch von Dana Olsen, dass die Unschuld klassischer 50er-jahre Vorstadtkomödien (man glaubt ständig Rock Hudson mit der Day um die Ecke biegen zu sehen) mit der prallen 80-iger-essen-wir –Big-Mac- und trinken-ne-Coke-Steven-Spielberg-Stimmung verbindet und aufs köstliche Elemente des klassischen Horrorfilms dabei paraphrasiert; die Slapstick-sichere Regie von Joe Dante („Gremlins“) und einen bestechender Soundtrack „a la Americana“ von keinem Geringeren als Jerry Goldsmith; alles stilsicher zusammengeführt von Produzent Ron Howard.

Zwar stimmt es, dass dieser Film durchaus unausgegoren ist, die Feriensequenzen, überdrehte Gruselhandlung a la “Fenster zum Hof” und Rays surreale Alpträume die das Horrorkino der 80iger plündern - das alles fügt sich nicht so recht zu einem homogenen Ganzen, und ja, die satirischen Untertöne sind letztlich nicht radikal genug und nicht konsequent genug um zu voller Wirkung zu zünden; aber die Message über die gar-nicht-so-harmlosen Abgründe hinter der scheinbar so harmlosen Spießeridylle funktioniert dennoch blendend, die Ferienstimmung springt voll über und gerade die Unausgegorenheit macht den Streifen so abwechslungsreich, dass der Unterhaltungswert durch die Decke geht.

“The Burbs” zeigt uns eine Vorstadthölle, deren biedere Konformität keinen Platz für Außenseiter hat, und in der die Ungeheuer, in the final analysis of things, biedere Weiße Vorstädter sind, in deren abgründigen Gemütern jemand, der anders ist und andere Wurzeln hat, oder seinen Rasen nicht mit der Bartschere trimmt, selbstverständlich gleich ein Serienmörder sein muss.



Ist das Walter  ?



RICKY BUTLER: Haben Sie jemals den Film "Der Wächter" gesehen, Mr. Peterson? Da geht es um den alten Mann, dem die Wohnung gehört, die so etwas wie das Tor zur Hölle ist?

RAY PETERSON: Nein, ich... Das habe ich nicht gesehen.

RICKY BUTLER: Oh, nun, ich habe etwas nachgedacht. Und da ihr letztes Haus abgebrannt ist, könnte es sein, dass... jemand das Tor offen gelassen hat.

 

(ein Generator springt im Keller der Klopeks an)

 

ART WEINGARTNER: Das sind sie. Sie bewegen sich wieder. Weißt du... es war eine Nacht wie diese, in der es passiert ist.

RICKY BUTLER: Was ist passiert, Mr. Weingartner?

ART WEINGARTNER: Oh, das ist schon lange her, Ricky. Hinkley Hills war damals viel kleiner... und auch sicherer! Man musste nie seine Türen abschließen. Jeder kannte jeden. Ich muss etwa neun bis zehn Jahre alt gewesen sein. Weißt du, wo das große Einkaufszentrum ist?

RICKY BUTLER: Ja.

ART WEINGARTNER: Na ja, an der Ecke war früher eine große Drogerie, mit einem großen Sodabrunnen, weißt du noch?

RAY PETERSON: Ja.

ART WEINGARTNER: Ja, und der Kerl, der sie betrieb, war ein - ein rundlicher Kerl mit Brille. Sein Name war Skip. Er wohnte drüben in der Elm Street, hatte eine Frau und ein paar Kinder, wissen Sie? Nicht sehr schlau, ich meine, hey, der Typ ist 40 Jahre alt, er trägt einen Papierhut und macht Cherry Cokes, es ist ein Kinderspiel rauszufinden, warum er nicht als Gouverneur kandidiert, oder?

 

[Ricky lacht]

 

Art und seine Schauergeschichten...


ART WEINGARTNER: Wie auch immer, es wurde heiß in diesem Sommer, ich erinnere mich, dass es RICHTIG heiß wurde. Es war brütend heiß. Du weißt schon, diese Hitze, bei der man in der Unterwäsche schwitzt und sie einem die... wie auch immer, es war heiß, okay? Und sie fangen an... sie fangen an, diesen... diesen wirklich widerlichen Gestank drüben in der Elm zu riechen, und sie denken, er kommt aus Skips Wohnung. Und niemand will etwas sagen, ich meine, was soll man machen, an die Tür des Typen klopfen und sagen: "Hi, dein Haus stinkt"? Die Leute versuchen also, es zu ignorieren. Sie versuchen so zu tun, als würde es nicht passieren. Und kennst Du diese Kieferdinger? Sie versuchen, es mit diesen Tannenzweigen zu vertuschen, die man ins Auto stellen kann. Die Leute hängen sie auf ihre Veranden.

 

(Ricky lacht)

 

ART WEINGARTNER: Oh, du findest das witzig, Rick?

RICKY BUTLER: Nun, ja.

ART WEINGARTNER: Nun ja - ich erzähle Dir, was dann passierte, OK. Der staatliche Gesundheitsinspektor taucht auf. Sie gehen hin, sprechen mit Skip, er sagt, er habe ein Problem mit der Sumpfpumpe. Sie gehen wieder. Hey, der Typ hat ein Problem mit dem Abwasserkanal, er sagt, er kümmert sich darum, alles ist in Ordnung, richtig?

RICKY BUTLER: Richtig.

ART WEINGARTNER: Falsch. Ein paar Stunden später strömt Rauch aus den Fenstern von Skips Haus. Die Feuerwehrleute tauchen auf und gehen in Skips Haus. Wisst ihr, was sie vorfinden?

RICKY BUTLER:  Was?

ART WEINGARTNER: Skips Familie, tot. Ermordet... von Skip... Wochen zuvor... mit einem Eispickel. Ja, der Kerl hat seine eigene Familie mit einem Eispickel umgebracht. Ja... ja, er hat sie einfach in den kühlen Keller gebracht, sie mit einem Laken zugedeckt und ist wieder daran gegangen, Eiscreme für die Stadtbewohner zu machen. Die einzige Sache... Skip hatte nicht mit einer großen Hitzewelle im Sommer gerechnet. Weißt du, was das war, was die Leute auf der Elm gerochen haben, Ricky?

RICKY BUTLER: Was war das?

ART WEINGARTNER: Die Leichen von Skips Familie, die in der Sommerhitze verwest sind.

 

[Ricky pfeift]

 

ART WEINGARTNER:  Ja, anscheinend hat Skip eines Tages einfach zu viele Zitronenphosphate gegessen,

(schnippt mit den Fingern)

ART WEINGARTNER: El snappo!

 



A- Team der Vorstadt: Rick Ducommun, Corey Feldman, Tom Hanks und Bruce Dern.




Um ein PG-Zertifikat zu erhalten, wurden die britischen Kino- und Videoversionen übrigens um 26 Sekunden gekürzt, um einige der Ausschnitte zu entfernen, die Ray sieht, wenn er fernsieht. Vor allem Szenen aus „Vier im rasenden Sarg“ (1975), „Der Exorzist“ (1973) und „The Texas Chainsaw Massacre 2“ (1986) (die beiden letztgenannten Filme waren damals in Großbritannien verboten). Die Kürzungen wurden 2004 wiederhergestellt und das Zertifikat auf "12" angehoben.



“Meine Teuflischen Nachbarn” wurde ungewöhnlicherweise in chronologischer Reihenfolge gedreht und fiel in die Zeit des Autorenstreiks von 1988. Der Film wurde in aller Eile produziert, um einem Streik der Writers Guild of America (WGA) zuvorzukommen. Die Hauptaufnahmen begannen am 19. Mai 1988, dem Tag, an dem der Streik in Kraft trat. Obwohl Dana Olsen, der Drehbuchautor, in dem Film mitwirkte, war es ihm untersagt, während der Dreharbeiten etwas zum Drehbuch beizutragen. Aus diesem Grund ermutigte Joe Dante die Schauspieler, viele Szenen zu improvisieren. Ein Beispiel ist der Moment, in dem Rumsfield die Tapete der Klopeks zerreißt, eine Idee von Bruce Dern. Rick Ducommun improvisierte viele seiner Zeilen, darunter den Dialog "Satan ist gut, Satan ist unser Kumpel". Tom Hanks und Carrie Fisher hatten die Idee, zu Hause Jeopardy! (1984) zu spielen. Und Tom Hanks improvisierte die Szene, in der er die Trage aufhebt und sich selbst in den Krankenwagen legt.



Wendy Schaal ganz ohne.....äh.... Schal.




Die Zeile, die Corey Feldman am Ende des Films sagt, stand nicht ebenfalls im Originaldrehbuch. Regisseur Joe Dante kam auf die Zeile "Gott, ich liebe diese Straße" während der Nachdrehs, nachdem der Autorenstreik beendet war und die letzten zwanzig Minuten des Films komplett neu gedreht werden mussten und Feldmans Figur praktisch eliminiert wurde. Dante teilte ihm die Nachricht mit und sagte ihm, er solle die Zeile sagen und es würde schon klappen. Feldman gibt heute zu, dass "Dante Recht hatte", denn es ist der Satz, den seine Fans und die Fans des Films ihm gegenüber erwähnen, wenn sie ihn sehen.

Die Straße der Petersons wurde auf dem Hinterhof von Universal aufgebaut. Sie wurde für viele Filme und Fernsehsendungen genutzt, darunter Desperate Housewives (2004). Einige der Gebäude haben sich im Laufe der Zeit verändert, aber Walters Haus ist das einzige Gebäude auf dem Grundstück, das sich überhaupt nicht verändert hat. Und ich fresse einen Besen - hochkant - wenn das Haus der Familie Klopek nicht stark dem originale Boon Radley-Haus aus Universals “Wer die Nachtigall stört” von 1962 ähnelt.



Viele Kritiker mögen den (bis in die Filmmusik hinein) mit filmischen Anspielungen gespickten Film, trotz seines mittlerweile erlangten Kultstatus, nicht, weil sie ihn eben für durchwachsen halten – I respectfully dissent:

Für mich ist er einfach ein traumhaft besetztes , schwarzhumoriges Riesenvergnügen, ein Film der sofort gute Stimmung macht und Urlaubsfeeling erzeugt, sogar im tiefsten Winter.

Allein schon bei Tom Hanks surrealen Alptraumsequenzen liege ich brüllend auf dem Boden….



Das ist ein Traum, richtig?





Beliebter Ferienspaß: Grillen im eigenen Höllenloch



Er ist, im Grunde, die überdrehte Comedy-Version des brillanteren „Summer of ´84“ , oder, wenn man so will, das Fotonegativ zu “Deliverance- beim Sterben ist jede de Este”, nur lauert de Abgrund diesmal nicht in den Outbacks, sonden in einem wohlgeordneten amerikanischen Vorstädtchen, und diesmal sind die Hinterwäldler die Außenseiter....






RAY PETERSON: Weißt du noch, was du über Leute in den Vororten gesagt hast, Art, Leute wie Skip, Leute, die ihren Rasen zum 800sten Mal mähen und dann SNAP? NUN, DAS SIND WIR. DAS SIND NICHT SIE, DAS SIND WIR. WIR sind diejenigen, die über die Zäune klettern und durch die Fenster der Leute spähen. Wir sind diejenigen, die den Müll auf die Straße werfen und Feuer anzünden. WIR SIND DIEJENIGEN, DIE SICH VERDÄCHTIG UND PARANOID VERHALTEN, ART. WIR SIND DIE VERRÜCKTEN. WIR. SIE SIND ES NICHT. Wir sind es.

 

ART WEINGARTNER: [nach einer Pause] Ich weiß nicht, was ich sagen soll... Was-…..soll ich umziehen??

 

[Ray stürmt auf ihn zu]






Invasion der  Spießer





SPOILER:



Es wurden drei Enden des Films gedreht. Das erste ist das, das in der normalen Veröffentlichung des Films sowohl im In- als auch im Ausland zu sehen ist.


Das zweite, das als "alternatives Ende" auf der DVD-Version verfügbar ist, folgt dem Weg des ersten, ist aber etwas anders und enthält nicht die Sequenz, in der der Krankenwagen in das Haus kracht, oder den Teil, in dem Mark Rumsfield auf Hans Klopek losgeht. Dafür gibt es ein paar weitere Szenen: Hans wird von der Polizei verhört, Dr. Werner Klopek hält vor der Polizei eine Rede über die Missstände in der Vorstadt und Ruben sagt zu Ray, dass er es genießen würde, ihn zu ihrem letzten Abendessen einzuladen.


Das dritte (und pessimistischste) Ende, das in keiner Form offiziell veröffentlicht wurde, sieht vor, dass Ray im Krankenwagen von Werner getötet wird, die Klopeks für unschuldig erklärt werden und Müllsäcke gefesselt und geknebelt im Kofferraum des Klopek-Autos gefunden werden. Das letzte Ende entspricht dem ursprünglichen Ende des Drehbuchs.