Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Samstag, 20. Mai 2017

55 JAHRE PUMUCKL: GESCHICHTE EINES KOBOLDS

Vor 55 Jahren begann die Geschichte des berühmtesten Kobolds überhaupt - im Radio, auf Bayern 1. Heute, ein halbes Jahrhundert und drei (Ja, drei!) Meister Eder später, lohnt es sich aus diesem Anlass einen kulturgeschichtlichen Rückblick auf ein Phänomen zu wagen.

Zur Einleitung erlaube ich mir hier eines der ursprünglichen Hörspiele mit dem Ur-Eder Franz Fröhlich von 1962 zu verlinken – der frühesten Inkarnation überhaupt. Tatsächlich sind von diesen Aufnahmen im Archiv des BR nur noch 2 Folgen vorhanden. Der Grund: Die Bänder, die leider „nur“ mit `Kinderfunk´ beschriftet waren, wurden allen Ernstes später zur Wiederverwendung gelöscht. Barbarei!






Alles beginnt und endet mit Ellis Kaut.

Selbst ein halber Kobold: Ellis Kaut
Die gescheiterte Schauspielerin Elisabeth „Ellis“ Kaut, damals bereits in den Vierzigern, arbeitete in den 60iger Jahren als Autorin für den Kinderfunk. Anfang der 60iger Jahre kam ihr, angeregt durch einen zu Selbstgesprächen neigenden älteren Schreiner den sie persönlich kannte (er hieß Adolf Nadler), eine geniale Idee für eine neue Sendung. Was wenn so ein Schreiner, der alleine lebt, nun einen Kobold hätte? Einen Kobold den nur er sehen kann, und der die Seele eines frechen kleinen Jungen in sich trägt? Wäre das nicht ideal um zu unterhalten und zugleich zu belehren – für eine Kindersendung damals unverzichtbar? Der Name des Kobolds ist dabei keineswegs die Koseform von Nepomuk nach der er klingt. Kaut beschreibt die Herkunft des Namens Pumuckl in einem Interview von 1983 so:

"Ich war mit meinem Mann im Skiurlaub, und wir gingen durch einen verschneiten Wald, und ich hatte die Zipfelmütze auf, ganz schmaler Weg, mein Mann ging hinter mir, und ich habe herunterhängende Äste dazu benützt, daran zu ziehen, und da ist der Schnee natürlich auf ihn gefallen, und da sagt er: 'Du bist ein richtiger Pumuckl'. Und dieser Name blieb mir im Gedächtnis."



Erster Eder: Franz Fröhlich.
Der Bayerische Rundfunk ließ sich von der Serienidee überzeugen. 

Für den Schreinermeister namens Franz Eder verpflichtete man den heute vergessenen Münchner Schauspieler Franz Fröhlich (hier ein Foto aus der 1961er Inszenierung von „Die drei Eisbären“ des Komödienstadls)

Die Rolle des Kobolds war viel schwieriger zu besetzen was entsprechend lange dauerte. Erst als Ellis Kaut durch eine für den Rundfunk aufgezeichnete Lesung von Otfried Preussler’s „Die kleine Hexe“ auf den jungen Theaterschauspieler Hans Clarin aufmerksam wurde, war die perfekte Besetzung gefunden. Clarin war zunächst wenig begeistert von den ersten Skripten. Zu konformistisch und schwarzpädagogisch kamen sie ihm daher.


41 - Jahre Schiffschaukel: Hans Clarin.


"Als ich das Pumuckl-Manuskript von Ellis Kaut das erste Mal gelesen habe, hat es mir gar nicht gefallen. Ich wusste auch gar nicht, wie so ein Gnom eigentlich sprechen sollte. Aber da Pumuckl ein Trotzkopf ist, habe ich mir gedacht, dass er häufig schreien müsste."

Nach längerem Überlegen nahm er an.

Am 21. Februar 1962 von 15:45 bis 16:10 Uhr lief mit Franz Fröhlich und Hans Clarin die erste je ausgestrahlte Folge von „Meister Eder und sein Pumuckl“ mit dem Titel „Spuk in der Werkstatt“ im Radio. Clarin wusste noch nicht dass er die Rolle seines Lebens gefunden hatte. Mehr als vierzig Jahre lang spielte er Gedichte reimend, singend, mal gellend, mal krächzend, mal sanft, mit erstaunlicher stimmlicher Bandbreite bis hoch ins Falsett gegen Kauts moralinsaure Erziehungsansätze an – darin liegt wohl auch der große Erfolg der „Pumuckl“-Figur . Nicht nur gelang eine der beeindruckendsten Darstellungen kindlichen Innenlebens die je einem erwachsenen Schauspieler gelang; nein, mehr noch: Auch wenn der kleine Frechdachs stets eine Lektion zu lernen hatte, blieb jede Folge doch im Geheimen der Triumph eines anarchischen, unbezähmbaren kleinen Freigeists über eine kinderfeindliche Erwachsenenwelt.

1964 starb Franz Fröhlich überraschend. Auch das Ende des Pumuckl?
Nicht doch.

Bei den Aufnahmen: Alfred Pongratz (Links) und Hans Clarin. (c) ARD
Noch im selben Jahr übernahm der pausbäckige Alfred Pongratz, ein Volksschauspieler aus der zweiten Garde, die Rolle des Meister Eder für weitere Rundfunk-Folgen. Pongratz der den Eder mit starkem Dialekt sprach, versah die Rolle mit einer urwüchsigen, von Ironie durchsetzten Altersmilde, die wunderbar mit Clarins übermütig-kindlichem Pumuckl harmonisierte. 66 Episoden entstanden mit Pongratz, auch die Geschichten der Fröhlich-Staffel wurden mit ihm neu aufgenommen.

Der Erfolg der Serie im Kinderfunk war so groß, dass der WDR eine eigene Kölner-Fassung namens „Immer dieser Fizzibitz“ mit anderen Schauspielern auf Kölsch aufnahm. Auf Dauer aber hatte der Ableger gegen das Münchner Original und vor allem Clarins unfassbar versatile Darstellung des Kobolds keine Chance. Er verschwand - wurde sozusagen unsichtbar. In den 60iger Jahren gab es aufgrund des großen Erfolges die ersten Buchfassungen der Geschichten aus der Feder von Ellis Kaut. In diesem Zusammenhang sollte es dann auch zur ersten grafischen Darstellung Pumuckls kommen.


Gab dem Kobold sein Aussehen: Barbara Von Johnson
Ein Wettbewerb wurde zu diesem Zweck 1963 an der Münchner Akademie für das grafische Gewerbe ausgeschrieben. Diesen Wettbewerb gewann die damalige Studentin Barbara Von Johnson. Ihr Entwurf zeigte einen Kobold in der Gestalt eines kleinen Buben, barfuß, mit Bäuchlein, riesigen roten Struppelhaaren, blitzenden Augen und großer bepunkteter Knopfnase.

Aha, so sah er also aus, der Nachfahre der Klabauter.




Von Johnson illustrierte fortan alle Pumuckl- Bücher.

Im Studio: Alfred Pongratz (2. von links), Hans Clarin und der
erste Regisseur Jan Alverdes (2. von rechts) (c) by BR
Ab Ende der 60er, Anfang der 70iger Jahre entstanden für EMI Electrola dann die ersten LPs (Cover: Barbara Von Johnson) mit Pongratz und Clarin in der Regie von Jan Alverdes und Alexander Malachovsky. Dabei handelte es ich um Neuaufnahmen in Hochdeutsch mit sehr starker bajuwarischer Klangfärbung. 39 Langspielplatten mit insgesamt 78 Geschichten wurden mit Riesenerfolg veröffentlicht. Dabei versuchte Kaut die Serie 1973 mit Pumuckls Rückkehr aufs Meer wieder zu beenden – ein enormer Proteststurm brach los. So musste Kaut ihre Entscheidung revidieren und weitere Geschichten entstanden – erst für den Funk, dann auf LP.



Eder Zwei:  Alfred Pongratz
Ende der 70iger gab es beim BR erste Planungen „Pumuckl“ ins deutsche Fernsehen zu holen, mit der Originalbesetzung der Langspielplatten. 


Doch 1977 erlag Alfred Pongratz einem Herzinfarkt. 



Verzweifelt wurde nach einem Ersatz gesucht. Man wandte sich schließlich an den damals wohl gefragtesten Bayerischen Schauspieler überhaupt, den großen Gustl Bayrhammer. Angeblich trat man noch während Pongratz‘ Beerdigung an ihn heran „Jetzt lasst uns diesen Menschen doch erst einmal begraben“ war die Antwort des Humanisten Bayrhammer.





Zündendes Layout: Cover einer klassischen Pongratz - LP

Hier eine etwas seltsame, aber hochinteressante Radio-Dokumentation von 2013 über Bayrhammers Leben. Das Konzept dieses Features besteht darin, dass Bayrhammer in seiner Rolle als Petrus (aus dem „Brandner Kaspar“ von Kurt Wilhelm am Münchner Residenztheater) auf die Nachwelt blickt:



Ein Eder für die Ewigkeit: Gustl Bayrhammer
Der klassische, ausgebildete Schauspieler, der, nach spätem Durchbruch, zu dieser Zeit als einer der größten Theaterdarsteller Münchens galt, und ab Mitte der 70iger Jahre als erster bayerischer Tatort-Kommissar Melchior Veigl bundesweit bekannt geworden war, zögerte zunächst. Letztlich überzeugte ihn die Idee etwas für Kinder zu machen. Aus seiner Zeit am Hoftheater Sigmaringen wußte er, dass sie ein besonders dankbares und besonders kritisches Publikum sind, und Kinderstücke in der Regel sehr lange laufen. Er sagte zu. 

Bis zum Ende der ersten Hörspielserie 1978 sprach er die Rolle des Franz Eder, und ergänzte sich noch perfekter mit Clarin. Der große Menschendarsteller Bayrhammer lieferte einen ungemein fein nuancierten Eder, manchmal liebevoll, manchmal leger grantelnd, gelegentlich bis zur Weißglut tobend. Er gab der Figur des alten Junggesellen Würde und eine innere Poesie.


Ungarischer Immigrant: Der Zeichentrick-Pumuckl
Die Pläne der Verfilmung wurden wieder aufgenommen. Regie sollte Jungregisseur Ulrich König führen. Laut Ellis Kaut war Ulrich König (für Infafilm) der Einzige der damals bereit war die ungeheuer teure Mischung aus Real- und Trickfilm zu realisieren. Alle anderen interessierten Filmemacher schlugen eine komplette Zeichentrick-Serie vor, oder aber Pumuckl durch einen via Blue Screening verkleinert einkopierten Schauspieler darstellen zu lassen.


Die Idee bei Infafilm war, parallel eine TV –Serie mit 26 Folgen (Staffel eins) und einen Kinofilm (bestehend aus vier zusammengefassten Folgen) zu realisieren um so die hohen  Produktionskosten zu decken. Die Trickfilm- Sequenzen sollten vom Animationsteam um Bela Ternovszky in Ungarn hergestellt werden.

1979 wurden erste Versuche mit der Mischung Real- und Trickfilm als Werbespots für den kommenden Pumuckl-Kinofilm gemacht um zu testen, ob das Publikum einen gezeichneten Kobold annehmen würde:



"Ich bin ein Fratz holt mich hier raus!" Kleinster Anti-Nazi der Welt mit Eder.
In diesen Clips ist Bayrhammer noch nicht auf „alter Junggeselle“ geschminkt, und das Pumuckl-Gesicht noch nicht letztgültig definiert. Die Animatoren orientierten sich massiv am Entwurf von Barbara von Johnson. Jetzt bekam er die grüne Hose und das gelbe Hemdchen. Dass es sich dabei um die brasilianischen Nationalfarben handelt ist übrigens absolut kein Zufall. Produzent Manfred Korytowski, Jude, war als Kind mit seinen Eltern vor den Nazis nach Brasilien geflohen und bat daher um die Farben des Landes, das sein Überleben wurde. Insofern ist Pumuckl der potentiell kleinste Anti-Nazi der Welt!


1982 kam der Film „Meister Eder und sein Pumuckl“ in die Kinos. Er wurde mit weit über einer Million Besuchern der erfolgreichste bundesdeutsche Film des Jahres. 

Bei Kindern schlug er natürlich ein, aber auch das erwachsene Publikum strömte, oftmals ihre Sprösslinge als Vorwand nutzend. 
Diese Mischung aus Real- und Trickfilm hatte man in einem deutschen Film noch nie gesehen, und dann war „Pumuckl“ ja schon seit zwei Jahrzehnten Kult. 
Der schmissige Titelsong (die Langfassung ist nur im Kinofilm zu hören) stammte aus der Feder von Fritz Muschler, J.A Horn, Uli König und – Überraschung – Howard Carpendale.

Die größte Herausforderung war der Kinofilm sicher für Gustl Bayrhammer, der die ganze Zeit mit einem imaginären Kobold spielen (und auf ihn reagieren) musste, den er weder hörte, noch sah. Die heute üblichen Hilfsmittel für solche Fälle, in Gestalt von Rastern und Markierungen, gab es 1982 noch nicht. Unfasslich wie präzise er unter solchen Bedingungen hier z.B. Blickkontakte mit dem Kobold spielte, wie virtuos er den unsichtbaren Partner ins Spiel einbezog. Gustl Bayrhammer erhielt den Bayerischen Filmpreis als Bester Hauptdarsteller. Die Jury begründete damals „Es sind nicht nur die starke Leistung Clarins und die wunderbare Arbeit der Trickfilmer die Pumuckl lebendig werden lassen; es ist nicht zuletzt die hohe Spielkunst Gustl Bayrhammers die den Zuschauer nachgerade zwingt an die physische Existenz des Kobolds zu glauben“

Hier ist ein ultra-seltenes Interview das Bayrhammer damals zu dieser Auszeichnung gab, während er am Münchner Volkstheater den Adam im „Zerbrochenen Krug“ spielte:



In der weiter oben verlinkten Radio-Dokumentation spricht Kollegin Michaela May bewundernd über Bayrhammer:

„Er war immer ganz authentisch die Figur. […] Und mit diesem kleinen Skizzieren eines Gefühls in den Augenwinkeln, auch im Wortlaut – wie er moduliert hat mit der Stimme – das war ganz minimal, aber es war extrem alle Wehmut, alle Freude, aller Kummer drin enthalten; und das war eigentlich ein großes Kunststück. Besonders als Meister Eder, denn da hat er ja im Text immer mit einer imaginären Person gesprochen, und das ist wahrlich schwer. Der hat ja diese Figur, die gezeichnet war nicht gesehen, er hat, so liebevoll und so traurig, so wütend er mit dem Pumuckl war, das Alles sozusagen ins Leere gespielt. Und da sieht man, was für ein großer Schauspieler er war.“

In der Folge entstanden 52 Fernsehfolgen in gleicher Besetzung die bis heute absoluten Kultstatus genießen. Es war die aufwendigste Produktion der deutschen Fernsehgeschichte. An jeder Staffel arbeitete man mehrere Jahre, zumal ja der animierte Pumuckl nachträglich in den Realfilm kopiert werden mußte.

Es schwebt auf einem Bein grazil, wer ran an Eders Pudding will.
Erst jetzt, als dem Staatsschauspieler Hans Clarin der absolut ebenbürtige Staatsschauspieler Gustl Bayrhammer als Partner gegenüberstand, entfaltete die Reihe ihre maximale Qualität. Man hört richtig wie Clarin aufblüht. Die früher etwas tiefere Pumuckl-Stimme passte Hans Clarin an den agileren und energiegeladeneren Zeichentrick-Kobold an. Sie wurde höher und krächziger. Gustl Bayrhammer und Hans Clarin improvisierten bei der Nachsynchronisation nicht nur, aber im Besonderen auch, im Abspann der TV Episoden, wild in die Gegend.

Wer immer schon mal wissen wollte wie die TV-Folgen tricktechnisch gemacht wurden, kann sich in dieser Kurzdoku weiterbilden:




Drehpause zu "Pumuckl und das Segelboot" Links Gustl Bayrhammer und
ganz rechts Regisseur Ulrich König.
Ulrich König beschreibt die Dreharbeiten in einem Interview mit der HOLZKIRCHENER STIMME so: 

„ Das hieß, wir mussten erstmals das Hörspiel in Drehbücher verwandeln, und, was fast noch fordernder war, den alt-pädagogischen Muff aus dem Stoff bekommen. Der Pumuckl wurde ja in seiner Urfassung in einer Tour bestraft und eingesperrt. Das haben wir gewaltig gegen den Strich gebürstet und auch versucht, die Erwachsenen mit der Serie zu erreichen […] Wir haben für die Geschichten geblödelt wie die Vierjährigen, und Gustl Bayrhammer immerhin wie ein Achtjähriger. Er war es dann auch immer, der uns mit seiner Reaktion gezeigt hat, ob eine unserer unzähligen Spontan-Ideen nicht doch vielleicht etwas zu schräg war. Eine wunderbare Zeit, in der wir noch nicht einmal wussten, dass die Leute im nächsten Jahrhundert immer noch über den Pumuckl sprechen würden.“


Zeitgleich mit der TV Serie entstand von 1982 bis 1986 eine dritte Hörspielserie (für das Label Imperial) mit Bayrhammer und Clarin, die alle 86 Geschichten enthält, erneut unter Regie von Alexander Malachovsky. Die Creme de la Creme bayerischer Volksschauspieler gab sich sowohl in der Fernseh- als auch der Hörspielserie die Klinke in die Hand. Diese Serie, erkennbar nicht nur am Titellied der TV-Serie, sondern am weißen Cover mit Fernsehbildern im abgerundeten TV-Schirm, überragte vorherige Produktionen deutlich an Natürlichkeit. 


Regisseur der Hörspiele: Alexander
Malachovsky. der auch in den TV-Folgen
Gastrollen spielte.
Nicht nur war die dritte Hörspielserie wesentlich weniger schwarzpädagogisch (Dem 60er und Frühsiebziger Pumuckl wurde ständig mit Prügel und Aushungern gedroht. Wobei Schläge mit der Einleitung „Wenn du nicht so klein wärst, dann….“ stets unterblieben. Eine bestechende Argumentation die auf menschliche Wesen seinerzeit leider nicht angewandt wurde), sondern da Bayrhammer und Clarin die Episoden ohne jede Proben einsprachen, und Sprechfehler einfach einbauten und hemmungslos improvisierten, entstand hier ein reales, äußerst natürliches Zusammenspiel, das völlig ungekünstelt wirkt.

Zum Beispiel hier in der Folge „Ein föhniger Tag“, einer Art zwei Personen-Kammerspiel zwischen Pumuckl und Eder (Mit Kurzauftritten von Erni Singerl & Michael Lenz). Großartig wie Clarin hier den zunächst gutmütigen Pumuckl zunehmend an der Realität verzweifeln und schließlich resignieren lässt; hinreißend wie Bayrhammer alle Stufen menschlicher Verzweiflung bis fast zum Irrsinn durchläuft. Ganz großes Hörspiel-Kino:



Angeregt durch den TV-Erfolg entstand in den 80iger Jahren in der Schweiz mit anderer Besetzung eine schwitzerdütsche Hörspielfassung unter dem Titel „De Meischter Eder un sin Pumuckl“. Hier die erste Folge „Spuk in der Werkstatt“ auf Schweizerisch:



Müßig zu sagen, dass sich auch diese Regionalversion niemals durchsetzen konnte.


Die erste Staffel der TV-Serie war 1982/83 ein Riesenerfolg, so dass man eine zweite, ebenfalls mit 26 Folgen in Angriff nahm, auch wenn die Ausstrahlung, aufgrund der sehr aufwendigen Nachbearbeitung erst 1988 erfolgen konnte. Die berühmte Schreinerei in der Widemayerstr. 2 in München hätte zu diesem Zeitpunkt schon abgerissen sein sollen. Es bedurfte massiver Fanproteste (ein Phänomen, das das deutsche Fernsehen seinerzeit noch gar nicht kannte) und des Eingreifens des bayerischen Ministerpräsidenten um den vorzeitigen Abriss zu verhindern. Das Hinterhaus wurde vorübergehend für 250 000 Mark renoviert, bevor es schließlich 1985 endgültig abgerissen wurde. Zuletzt hatte man noch für den Dreh der Episode „Das Spiel mit dem Feuer“ die Wohnung tatsächlich abgefackelt.

In diesem Interview innerhalb der klassische Spielshow „Auf Los Geht’s Los“ mit Joachim Fuchsberger spricht Gustl Bayrhammer - bei ca. 52 Minuten -unter anderem über die bevorstehende zweite Staffel (P.S: Blacky Fuchsberger moderiert die Sendung konsequent im Nachthemd, da er in „Wetten dass??“ eine Wette verloren hatte):



Viele Jahrzehnte blieb Pumuckl Kult.

1993 entstand mit „Pumuckl und der blaue Klabauter“ ein weiterer Kinofilm. Als er am Ende des Films zu Meister Eder zurückkehrt sieht man die letzten Szenen des Kobolds mit seinem Eder. Da Gustl Bayrhammer überraschend im April 1994 in Krailing an einem Herzinfarkt starb, mußte er für diese Filmaufnahmen später von Wolf Euba nachsynchronisiert werden.

Nach der nur teils geglückten dreizehnteiligen Serie „Pumuckls Abenteuer“ (mit Towje Kleiner als Schiffskoch) entstand 2003, der letzte Kinofilm, in dem Pumuckl bereits von Kai Taschner gesprochen wurde, da Clarins Stimme mittlerweile zu angegriffen war. Dafür spielte der im Film Ferdinand Eder, den Erben des Meister Eder. In einer Szene des Films darf der kleine Kobold sogar um seinen verstorbenen Schreinermeister trauern:


Pumuckl ist auch heute noch Kult, denn ein großer Teil der in den 80iger Jahren eingebauten Gags erschließt sich eben doch nur dem erwachsenen Zuschauer. 
Mittlerweile gibt es in Ohlstadt sogar ein eigenes Pumuckl-Museum

Als Hans Clarin (bürgerlich: Hans Schmid) im August 2005 in Aschau im Chiemgau starb, titelte der STERN „PUMUCKLS STIMME IST VERSTUMMT“.

Meine Antwort:
Wohl kaum.
Da reiß ich mir ja lieber siebzigsiebzehn Haare aus, bevor ich glaube, dass der Pumuckl je verstummt!

Solange es die Hörspiele gibt, die noch immer Kultstatus genießen, wird es auch immer Kinder geben, die sie hören. Und die großartige TV-Serie wird immer von großen und kleinen Zuschauern gesehen und geliebt werden. Von den Kleinen wegen der Geschichten selbst, von den Größeren wegen des Anarcho-Humors und des großartigen Schauspielhandwerks eines Gustl Bayrhammer, eines Hans Clarin.

Dass ich mit dieser Meinung alles Andere als allein stehe, kann man einem bewegenden und recht persönlichen youtube-Kommentar einer offenbar heute Erwachsenen Dame aus dem jahr 2016 entnehmen, den ich unter dem Video zu „Pumuckl und das Segelboot“ gefunden habe:


Kathi Trägler vor 11 Monaten
Nun kann man es dir Gustl nicht mehr persönlich sagen, wie toll du den Meister Eder gespielt hast. Ich hätte es gerne getan. Als du gestorben bist war ich nicht mal geboren.😭



Keine Frage: Hans Clarin war immer mehr als nur „Pumuckl“. Gustl Bayrhammer war viel mehr als nur der „Meister Eder“. Aber die beiden haben ihre Sache viel zu gut gemacht, zu viele magische Momente erzeugt, als das wir sie vergessen könnten, nur weil sie schon seit Jahrzehnten nicht mehr sind.


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