Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Mittwoch, 11. Oktober 2017

„FEUD – BETTE AND JOAN“ - ALLEIN UNTER FRAUEN



Sagenhafte 18 Emmy Nominierungen (10 Primetime Emmys und 8 Creative Arts Emmys) erhielt die sensationelle erste Staffel von Ryan Murphys neuer Anthologie – Serie, und nicht zu Unrecht. Schon das stark von Alfred Hitchcocks Vorspanndesigner Saul Bass inspirierte Intro ist ein Genuss:




Der brillant geschriebene Achtteiler nimmt uns mit in das Hollywood vergangener Zeiten und zur legendären lebenslangen Fehde zwischen den Leinwanddiven Joan Crawford (Jessica Lange) und Bette Davis (Susan Sarandon), mit besonderem Fokus auf die Intrigen, Schicksalsschläge und den Psychoterror vor, während und nach den Dreharbeiten zum Thrillerklassiker „Was geschah wirklich mit Baby Jane“ von 1962 und dem Nachfolger „Wiegenlied für eine Leiche“. 


Dabei rekreiert die ,filmhistorisch absolut perfekt recherchierte , von blitzenden Dialogen strotzende Serie mit ungeheurer Detailliebe und größtem Aufwand Zeit und Milieu des alten Hollywoods der 60iger; die klassischen Filmausschnitte, die Original-Sets und historische Ereignisse wie die Oscarverleihung 1963 oder den –kompletten ! – Trailer zum Crawford Film „Straight Jacket“ die metikulös aufgrund der Originalaufnahmen nachgestaltet werden. 

Siehe hier der detaillierte Szenenvergleich:




Der Plot: Anfang der 60iger Jahre: Joan Crawford, 56 Jahre alt, einer der größten Stars der 30er und 40iger, Oscarpreisträgerin für „Mildred Pierce“ (1946), ist auf dem Abstellgleis, das damalige Hollywood bietet Frauen dieses Alters keine Rollen mehr; ihr Agent schreibt sie ab. So sucht Crawford selbst nach einem Stoff – und findet ihn: Lukas Hellers Roman „Was geschah wirklich mit Baby Jane“. Sie begeistert den Regisseur Robert Aldrich (Alfred Molina), und beide wissen wer die andere weibliche Hauptrolle spielen muss – jene Frau, mit der Crawford seit Jahrzehnten im Streit lebt, der andere große Star der dreißiger Jahre, die zweifach oscarprämierte Ausnahmeschauspielerin Bette Davis. Aldrich gelingt es Studiomogul Jack Warner (Stanley Tucci) zu überzeugen, und die Dreharbeiten beginnen. Doch befeuert vom Studio brechen die Konflikte zwischen der aufgrund ihrer Kindheit seelisch völlig verkrüppelten, hochmanipulativen Crawford und der überlebensgroßen, zutiefst einsamen und intriganten Egozentrikerin Davis offen aus. Der Dreh wird zum apokalyptischen Alptraum für alle Beteiligten…..


Vibrierend vor Spannung, menschlicher Tragik, bösem Witz und erschütternden Einblicken gelingt der von einem superben Ensemble getragenen, komplexen Studie dabei auch offen zu legen wie die beiden so unterschiedlichen Großschauspielerinnen regelrecht aufeinander gehetzt, bis aufs Blut manipuliert wurden – eine schockierende Parabel weiblicher Selbstdemontage. So wird „Feud“ nicht nur zu einem Psychokrieg mit hypnotischer Sogwirkung, sondern auch zu einem bewegenden, tiefschürfenden menschlichen Drama, einer tiefen Verbeugung vor Davis und Crawford. Umwerfend die erschütternden schauspielerischen Leistungen von Jessica Lange und Susan Sarandon in den beiden Titelrollen – Schauspielhandwerk auf virtuosem Niveau. Ihre gemeinsamen Szenen sind absolut hypnotisch. Wie in dieser Szene in der Crawford die Davis konfrontiert nachdem sie am On Location Set von „Wiegenlied für eine Leiche“ mutterseelenallein zurückgelassen worden war, während Co-Produzentin Davis mit dem kompletten Team weiterzog:





Brillant auch Alfred Molina als herumgeschubster und erniedrigter Robert Aldrich, Stanley Tucci als schmierig-barocker Hollywoodtycoon ohne Gewissen, Judy Davis als legendäre Klatschreporterin (und Crawford – Freundin) Hedda Hopper, Jackie Hoffman als Crawfords steinharte österreichische Bediente Mamacita, Molly Price als Aldrichs vernachlässigte schwedische Ehefrau Harriet, die junge Kiernan Shipka als Davis Tochter B.D.Merrill und Dominic Burgess als Schauspieler Victor Buono, mit dem Davis sich trotz dessen Homosexualität anfreundet. Aber selbst kleinste Nebenrollen (Catherine Zeta-Jones als Olivia de Havilland, Kathy Bates als Joan Blondell, Sarah Paulson als Geraldine Page, Serinda Swan als Anne Bancroft, u.v.a) sind top besetzt und gespielt. Am Ende gelingt es „Feud – Bette und Joan“ auch das verzerrte Klischee -Bild das Faye Dunaway in „Meine liebe Rabenmutter“ von Crawford gezeichnet hat, über Bord zu werfen. Siehe hier:





Ohne Crawfords monströses Verhalten gegenüber ihren Kindern auch nur entfernt zu rechtfertigen, lässt uns Langes Darstellung am Ende Mitgefühl für diesen völlig kaputten Menschen empfinden, so wie es Sarandon fertigbringt uns verstehen zu lassen wie sehr Bette Davis in ihrem seelischen Eisenpanzer selbst gefangen und war und wie sehr sie darunter litt.

"Feud - Bette und Joan" erhielt folgende 18 Emmy Nominierungen:

Beste Mini Serie
Beste Regie (Mini-Serie): Ryan Murphy
Bestes Drehbuch (Mini Serie): Ryan Murphy – für die Folge „And The Winner Is…“
Bestes Drehbuch (Mini-Serie): Ryan Murphy, Jaffe Cohen, Michael Zam - für die Folge „Pilot“
Beste Hauptdarstellerin (Mini-Serie): Susan Sarandon
Beste Hauptdarstellerin (Mini-Serie): Jessica Lange
Bester Nebendarsteller (Mini-Serie): Stanley Tucci
Bester Nebendarsteller (Mini-Serie): Alfred Molina
Bester Nebendarstellerin (Mini-Serie): Jackie Hoffman
Bester Nebendarstellerin (Mini-Serie): Judy Davis
Bestes Vorspanndesign
Beste Titelmusik: Mac Quayle
Beste Filmmusik: Mac Quayle
Bestes Production Design
Bestes Casting
Bestes Kostümdesign
Bestes Make Up
Bestes Hairstyling

Auszeichnungen gab es dann leider nur für make Up und Hairstyling.


FAZIT: Glänzend geschriebener, auf den Punkt inszenierter, äußerst mitreißender Mehrteiler mit hohem Suchtpotential und außordentlichen Schauspielerleistungen. So aufregend ist Filmgeschichte als Filmstoff selten….

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