Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Sonntag, 5. Februar 2023

"ZWEI WELTEN (1988)" - NKOSI SIKELEL' IAFRIKA

 





`A World Apart´ ist der Film der `Schrei nach Freiheit´ hätte sein sollen. Der beste Film zum Südafrika-Thema und mit Abstand einer der besten Filme des Jahres"

Roger Ebert, Kritikerlegende 1988.









Das Jahr ist 1963, der Welthit des Jahres ist Chubby Checkers "Let's Twist Again", das Land ist Südafrika, ein Südafrika, dass von einer weißen Minderheit regiert wird. Das ultrarassistische Apartheidsregime unterdrückt brutal alle schwarzen Menschen.

 

Linda Mvusi als Elzie in "Zwei Welten"

 

Unbeschwert: Die 13-jährige Molly (Jodhi May) im Südafrika von 1963


Diana Roth (Barbara Hershey) , eine politisch linke Journalistin, und ihr Ehemann Gus Roth (Jeroén Krabbé) bekämpfen als Weiße aus Überzeugung die menschenverachtende Diktatur.
Als Gus, von der Geheimpolizei gesucht, über Nacht untertauchen muss, bleibt Diana mit ihren drei Kindern, deren älteste , die 12-jährige Molly (Jodhi May in ihrem Filmdebüt) , sich von ihrer Mutter ständig ausgeschlossen fühlt, allein zurück , kämpft dennoch weiter gegen die Regierung.
Dann wird Diana als erste Frau nach dem berüchtigten "90 Tage Gesetz" verhaftet, dass es erlaubt Menschen ohne Anklage oder Ermittlung 90 Tage zu arretieren und verhören.


 

Diana Roth (Barbara Hershey) kommt in Haft bei der gefürchteten Special Branch

Die Kinder bleiben allein mit der Großmutter zurück verlieren alle sozialen Kontakte: Eine extreme menschliche Zerreißprobe - doch mit Hilfe der schwarzen Haushälterin Elzie (Filmdebüt der aus Südafrika geflohenen studierten Architektin Linda Mvusi) beginnt Molly allmählich zu verstehen....

 

Molly mit bester Freundin und erstem Sekt...





Hier der Trailer:






Und hier einige weitere Ausschnitte:






Das brillante Regiedebüt des oscargekrönten Kameramanns Chris Menges ("The Killing Fields", "The Mission") erzählt die Geschichte völlig aus der Perspektive der 12-jährigen Molly, gespielt von Jodhi May, die hier Debüt gab und über keinerlei Schauspielerfahrung verfügte.


Chris Menges (links von ihm Drehbuchautorin Shawn Slovo) inszeniert.




Chris Menges mit Jodhi May am Set.






Das Drehbuch stammte von Shawn Slovo, einer aus Südafrika stammenden Autorin, die hier die Geschichte ihrer eigenen Kindheit und ihrer Mutter erzählt und sich im Film als "Molly" verewigt hat. Um einige der Beteiligten vor dem 1987 noch herrschenden Regime zu schützen, gab sie den Figuren andere Namen, so auch ihrer Mutter die in Wirklichkeit Ruth First hieß, und von der südafrikanischen Regierung später, 1982, im Londoner Exil mit einer Briefbombe ermordet wurde.


Ruth First, die echte Diana Roth, mit ihrem Ehemann Joe Slovo
und ihren Kindern. Vorne rechts Shawn Slovo, die Vorlage für Molly
und Autorin von "Zwei Welten"




Shawn Slovo als Kind im Südafrika von 1963




Ruth First mit schwarzer Journalistenkollegin.





Ruth First in der Haft der Special Branch


 
 

Der in Simbabwe mit wenig Geld gedrehte, von Peter Biziou (Oscar für "Mississippi Burnng", 1988)exquisit photographierte Film überzeugt viel mehr als eine Hollywood Großproduktion, da er den Stoff ohne Bombast eröffnet und sich an einem authentischen, sehr persönlichen Blickwinkel orientiert. Er war 1988 ein Kritikerhit.







Siehe auch hier die zeitgenössische Filmbesprechung der legendären Kritiker Gene Siskel und Roger Ebert in ihrer Sendung "Siskel & Ebert" (ab 4:55 min.)







Ausführlicher wurde Ebert in der Chicago Sun Times: https://www.rogerebert.com/reviews/a-world-apart-1988



"In gewisser Weise liegt hier eine Ironie vor. Warum sollte es uns interessieren, dass eine 13-Jährige nicht zu Schwimmfesten eingeladen wird, wenn Millionen von schwarzen Südafrikanern elementare Bürgerrechte vorenthalten werden? Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, ist "A World Apart" stärker, weil er sich mit den kleinen Details eines bestimmten Lebens befasst. Im Gegensatz zu "Cry Freedom", der auf einer so großen Leinwand gemalt wurde, dass die Subtilität verloren ging, geht es in "A World Apart" um die konkreten Auswirkungen eines Rechtssystems, in dem die Rechte eines Menschen von seiner Ethnie abhängen, auf das Leben des Einzelnen.


Ruth First (Barbara Hershey) darf ihre Kinder sehen.

 

Ich habe 1965 ein Jahr in Südafrika verbracht, an der Universität von Kapstadt, und es hat mich oft gestört, dass so viele fiktionale Darstellungen des Landes nicht in der Lage zu sein scheinen, zu vermitteln, wie es ist, dort zu leben. Für die meisten Menschen aller Ethnien in Südafrika verlaufen die meisten Tage ziemlich routinemäßig und sind den verschiedenen Aktivitäten in Familie und Beruf gewidmet, die überall die Grundlage des Lebens bilden. Das Land ist kein ständiges politisches Passionsspiel. Es ist möglich, in eine brauchbare, sogar bequeme Routine zu verfallen. Indem "A World Apart" die ruhige Oberfläche des Alltagslebens zeigt, kann er dramatisieren, wie dicht unter dieser Oberfläche der Polizeistaat sitzt. Für diejenigen, die nicht aufmucken, kann Südafrika ein sehr angenehmer Ort zum Leben sein.


 

Like mother, like daughter.


Diana Roth muckt auf und durch die Augen ihrer Tochter sehen wir das Ergebnis dieser Aktion. In der Rolle von Hershey ist Roth keine ideale Mutter, obwohl sie eine pflichtbewusste Mutter ist. Sie hat eine gewisse Härte in sich, eine Wut, die sich auf Ungerechtigkeit konzentriert und manchmal die Bedürfnisse ihrer Familie gegenüber den scheinbar dringlicheren Bedürfnissen der Gesellschaft übersieht. Dies ist eine weitere gute, starke Leistung von Hershey, die sich in den letzten Jahren zu einer unserer besten Schauspielerinnen entwickelt hat.


 

Nominiert für den Britischen Filmpreis als Bester Nebendarsteller: Der legendäre TV-Hercule
Poirot und Shakespeare Mime David Suchet als sadistisch-ambivalenter Verhöroffizier

May als junge Molly ist ebenso beeindruckend, und in vielerlei Hinsicht ist dies ihr Film. Das Drehbuch (von Shawn Slovo, basierend auf ihren eigenen Erinnerungen) gibt May viel Spielraum, aber die Art und Weise, wie ihre Augen Schmerz und Ablehnung ausdrücken, ist ganz ihre eigene."


Die braunsten, größten Augen der Welt: Jodhi May




Ein Mädchen gegen den südafrikanischen Geheimdienst - Kindermund tut Wahrheit kund....




Der Soundtrack stellt eine frühe und gelungene Arbeit von Hans Zimmer dar, und beinhaltet auch das berühmte afrikanische Volkslied "Nkosi sikelel iAfrika" das '87 noch ein verbotener Kampfsong des ANC war, und heute Teil der südafrikanischen Nationalhymne ist. Durch "A World Apart" wurde das atemberaubend schöne Lied erstmals in der westlichen Welt bekannt.



Siehe hier:




"A World Apart", ein außergewöhnlich feinfühliges, sensibles, sehr bewegendes Drama mit außergewöhnlichen schauspielerischen Leistungen, gewann den Großen Preis der Jury und den Preis der ökumenischen Filmkritik in Cannes 1988, sowie den Preis für die beste Schauspielerin den die Jury gleich dreimal an alle 3 Hauptdarstellerinnen des Films vergab:

An Barbara Hershey für ihre elektrisierende Darstellung der Diana Roth, an die damals 13 jährige Jodhi May für die Rolle der Molly und an Linda Mvusi (studierte Architektin) für die Rolle der Elzie , in ihrem ersten und einzigen Film. Siehe hier der Clip (die Person die Jodhi May auf die Bühne geleitet ist Shawn Slovo):






Der Gewinn Hersheys ist dabei besonders bemerkenswert da Hershey erst im Jahr zuvor für "Shy People" den Darstellerpreis erhalten hatte, so dass eine erneute Auszeichnung als fast unmöglich galt.

Der Film erhielt darüber hinaus den Preis der New Yorker Filmkritiker für die beste Regie, den besten Film des Jahres und Nebendarstellerin Jodhi May. Beim London Evening Standard Film Award wurde Jodhi May als beste Newcomerin ausgezeichnet. Shawn Slovos Drehbuch erhielt den Britischen Filmpreis (BAFTA).


Shawn Slovo heute.









Die schon hier überragend spielende May (sie trägt den Film über weite Strecken), die schon mit 12 die braunsten, größten Augen der Welt hatte, und sich mittlerweile zu einer ungeheuer schönen Frau entwickelt hat, war seitdem niemals ohne Engagement und verfügt über einen Universiätsabschluss in Englisch (Oxford).


Jodhi May heute




Sie brillierte auf der Bühne, im Fernsehen und Film (so u.a, in "Der letzte Mohikaner" 1992 und in "Sister My sister" 1994 - einem Film über den realen Fall, der "Die Zofen" inspirierte) und gewann auch später mehrere Filmpreise.


Hier ein damaliges Interview mit der Newcomerin:






Hochinteressant auch hier dieses zeitgenössische Interview mit Elzie-Darstellerin Linda Mvusi:





Jodhi May als Molly mit Jeroen Krabbé als ihrem Vater Gus Roth,
inspiriert vom echten Joe Slovo






Joe Slovo (rechts) die reale Vorlage für Gus Roth, mit seinem Freund und  Mit-Aktivisten 
Nelson Mandela





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