Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Donnerstag, 6. April 2023

OSTER SPECIAL: DIE TOP TEN DER BESTEN JESUS – FILME

Buchstäblich auf seine Ideale festgenagelt: Yeshua aus Nazareth

 


Es ist das vermutlich meistverfilmte Sujet der Filmgeschichte und zu Ostern dürfte es wieder auf uns zukommen: Filme über das Leben Jesu. Bereits 1906 inszenierte die erste Regisseurin der Filmgeschichte Alice Guy-Blaché, ihr, damals mit 33 Minuten überlanges, Epos „La vie et la mort du Christ“ – und das war nicht einmal der erste Vertreter seiner Art.





"Das Leben Christi" von Alice Guy-Blaché der ersten Regisseurin der Filmgeschichte,
die als Erste den Wandel zum Spielfilm vollzog.



Viele dieser Filme sind geistlos, tumb und von naiver Frömmlerei geprägt oder künstlerisch ohne Bedeutung. Es gibt aber löbliche Ausnahmen. Daher hier meine Top Eleven, sortiert von Platz 1 (Bester) bis Platz 11 (Schwächster); Hier wurden Filme aufgenommen die entweder das Leben Jesu abhandeln oder direkt damit verknüpft sind, z.B. über die Kreuzigung.

Die Filme in dieser Liste, mit Ausnahme der letzten Plätze, sind entweder künstlerisch bedeutende Arbeiten oder wenigstens sehr unterhaltsam, manchmal beides.


Kein Fall für unsere Liste: Claude Heater der (im Film) gesichtslose Jesus
 aus "Ben Hur" von 1959




Arbeiten die nicht über offizielle Produktionsgesellschaften entstanden, sondern direkt von christlich-fundamentalistischen Gesellschaften oder Konzernen der (pseudo)christlichen Rechten produziert und konzipiert wurden, sind ausdrücklich nicht berücksichtigt.



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DIE LISTE:






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1.) „Die letzte Versuchung Christi (1988)“ – Martin Scorsese.

- The Last Temptation of Christ –


Willem Dafoe in "Die letzte Versuchung Christi": Kühne Schauspielerleistung




Der verfemte Skandalfilm nach dem Roman von Nikos Kazantzakis ist in Wirklichkeit ein tiefreligiöser, theologisch radikaler, herausfordernder Film und ein tollkühn inszeniertes künstlerisches Meisterwerk, abgetrotzt einer Zeit und einer Gesellschaft die ihn nicht haben wollte. Sinnlicher, philosophisch tiefer und aufwühlender ist die Geschichte nie erzählt worden.




Sogar viele Muslime und Atheisten schätzen „Die letzte Versuchung Christi“.

Besetzt mit Willem Dafoe, in einer der mutigsten Schauspielerleistungen der Filmgeschichte, als Jesus, Harvey Keitel als Judas, Barbara Hershey als Maria von Magdala, Harry Dean Stanton als Paulus, David Bowie (!) als Pontius Pilatus. Komplexes Drehbuch von Paul Schrader („Taxi Driver“). Ausnahmesoundtrack von Peter Gabriel, absolut sensationelle Arbeit von Kameramann Michael Ballhaus und Cutterin Thelma Schoonmaker.











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2.) „ Jesus von Nazareth (1977)“ – Franco Zeffirelli
- Jesus of Nazareth/Gesu di Nazareth –




Ikonisch: Robert Powell als Christus für Franco Zeffirelli




Die beste konventionelle Jesus-Verfilmung als aufwendiger, kreativer britischer Vierteiler mit internationaler Starbesetzung: Peter Ustinov, James Earl Jones, Olivia Hussey, Anne Bancroft, Sir Laurence Olivier, Anthony Quinn, James Mason, Rod Steiger, Claudia Cardinale, Michael York, Stacy Keach, Donald Pleasance, James Farentino und Ian Holm. Herausragend Robert Powells unglaublich leidenschaftliche, teils elektrisierende Darstellung in der Titelrolle (nominiert für den britischen Filmpreis als bester Hauptdarsteller).


Drehbuch von Anthony Burgess („A Clockwork Orange“), Suso CecchiD’Amico und Zeffirelli nach den vier Evangelien. Beachtlich die hohe historische Akkuratesse in der Rekonstruktion der jüdischen Kultur zur Zeit Jesu. Grandios fotografiert von Oscarpreisträger David Watkin („The Deer Hunter“). Gänsehaut-Soundtrack von Maurice Jarré („Lawrence von Arabien“).










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3.) „Das erste Evangelium nach Matthäus (1964)“ – Pier Paolo Pasolini

- Il Vangelo Secondo Matteo –







Mit Pasolini lieferte ausgerechnet ein kirchenkritischer homosexueller Kommunist eine der besten Jesus-Verfilmungen überhaupt. Kompromisslos neorealistisch, in sinnlichem, rauem Schwarzweiß gedreht, stützt sich der bewusst anrührend schlichte Film wortgetreu auf das Matthäusevangelium.


Jesus, mit beispiellos zorniger Entschlossenheit gespielt von Enrique Irazoqui, wird hier zum mutigen Sozialrebell gegen das Establishment. Komplett besetzt mit Laiendarstellern aus dem Ort Matera. Expressionistische Filmmusik von Luis Bacalov. Bei der Uraufführung im Vatikan gab es für diesen radikal-avantgardistischen Ansatz volle 40 Minuten Applaus.









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4.) „König der Könige (1927)“ – Cecil B. DeMille

- King of Kings –




Cecil B. DeMilles Version der Kreuzigung (1927)





Ikonographischer Hollywood-Kintopp vom Erfinder des Hollywood-Monumentalfilms, Cecil B. DeMille („Die zehn Gebote“ 1956), der der naiven Frömmelei maximale Schauwerte abgewinnt und filmemacherisch bis heute beeindruckt, nicht zuletzt aufgrund des hohen Aufwands, besonders in den Massenszenen. Drehbuch von DeMilles Lieblingsautorin Jeannie McPherson. In den Hauptrollen H.B. Warner als Jesus, Dorothy Cumming als Maria und Joseph Schildkraut (als Judas).

Obschon ein Stummfilm der 20iger, sind Prolog und Auferstehung bereits in Farbe! Philosophin Ayn Rand war hier Statistin. Das riesige Tor nach Jerusalem wurde 1933 in „King Kong“ wiederverwendet. Einige der Zwischentitel sind Aramäisch.













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5.) „König der Könige (1961)“ – Nicholas Ray

- King of Kings –




Jeffrey Hunter, alias Captain Christopher Pike (Star Trek), als Jesus


Klassischer Hollywood-Monumentalfilm und Tonfilm-Remake des DeMille-Films, in Farbe und Breitwand, entstanden im Gefolge von „Ben Hur“ (1959). Mit damals astronomischem 5 Millionen Dollar Budget und enormem Prunk in Spanien gedreht. Teenie-Idol Jeffrey Hunter spielt einen deutlich überirdischen Jesus, Siobhan McKenna Maria, Robert Ryan Johannes den Täufer, Carmen Sevilla Maria von Magdala, Frank Thring Herodes Antipas und Rip Torn Judas Iskariot. Grandiose Kameraarbeit (Kamera: Leon Shamroy) und bemerkenswerter, wuchtiger Soundtrack vom großen Miklos Rozsa („Ben Hur“, „Ivanhoe“).

Erstaunlich intelligentes Drehbuch von Philip Yordan mit vielen künstlerischen Freiheiten. Der Prolog stammt aus der Feder von Ray Bradbury, gesprochen von Orson Welles. Als Stimme des Teufels: Ray Milland („Bei Anruf Mord“). Extrem kurzweiliger, prachtvoller Schau- und Erbauungs-Schinken.









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6.) „Barabbas“ (1961) – Richard Fleischer

- Barabbas –


Die Kreuzigung - zum ersten und einzigen Mal während einer echten Sonnenfinsternis gedreht,





Opulente italienische Verfilmung des Romans von Literaturnobelpreisträger Pär Lagerkvist, mit Anthony Quinn in der Rolle des Mannes, der statt Jesus die Freiheit erhält und ein Leben lang vom Schatten des Kreuzes verfolgt, vom Verbrecher zum Sklaven, dann Gladiator wird, bis er, als alter Mann, beim Brand von Rom zum Christen wird. Von Dino de Laurentiis als intelligenter Monumentalfilm in Farbe und Cinemascope produziert und stilsicher inszeniert von Hollywood-Routinier Richard Fleischer („20 000 Meilen unter dem Meer“ 1954, „Der Frauenmörder von Boston“ 1968).

In weiteren Rollen Silvana Mangano, Arthur Kennedy, Vittorio Gassman, Jack Palance und Ernest Borgnine. Gänsehaut-Soundtrack von Mario Nascimbene. Die Kreuzigung wurde während einer echten Sonnenfinsternis gedreht. Zehntausende Statisten waren im Einsatz.








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7.) „Son Of Man“ (1969) aus der BBC-Reihe „The Wednesday Play“ – Gareth Davies

- - Son Of Man -




Als wütender Jesus der Arbeiterklasse: Colin Blakely






Colin Blakely spielt einen Arbeiterklasse-Jesus in einem fürs TV entstandenen grimmigen, schwarzweißen Sinnsuche-Drama nach einem Text des Dramatikers Dennis Potter.

Dennis Potters kontroverse Lesart des Lebens Christi, in der Jesus als herzlicher, feuriger, wohlmeinender Zimmermann dargestellt wird, der der Meinung ist, dass die Menschen versuchen sollten, ihre Feinde zu lieben, anstatt ständig zu kämpfen, der aber von Selbstzweifeln geplagt wird, ob er der von der Bevölkerung erwartete Messias ist oder nicht, ist auf Deutsch nie erschienen.






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8.) „Das Gewand (1953)“ – Henry Koster

- The Robe –





Victor Mature, kurz bevor "Das Gewand" Jesu verteilt wird.



Klassischer Hollywood-Monumentalfilm, nach dem Bestseller von Lloyd C. Douglas, mit einem gewissen Tiefgang, und der erste abendfüllende Spielfilm im Cinemascope-Breitwandformat. Ein blutjunger Richard Burton spielt den Hauptmann der die Kreuzigung Jesu leitet, und beim Würfelspiel das Gewand des Messias gewinnt, das er an den Sklaven Demetrius weitergibt. Alptraumhafte Visionen der Kreuzigung treiben ihn später von Rom nach Judäa zurück, um das Gewand, und damit Erlösung, zu finden…..

Oscarnominierter chorischer Soundtrack von Alfred Newman. In weiteren Hauptrollen Jean Simmons, Victor Mature, Michael Rennie und Dean Jagger. Aufwendig und trotz eines gewissen Kitschfaktors sehenswert, wenngleich etwas statisch, da man mit dem Breitwandformat noch nicht vertraut war.










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9.) „Die Passion Christi (2004)“ – Mel Gibson

- The Passion oft he Christ –




Blut und Gekröse:  Jim Caviezel als Mel Gibsons fundamentalistischer Jesus





Eine so eindrucksvolle wie manipulative filmische Schlachtplatte, die weniger auf den Evangelien als auf den 14 Kreuzwegsstationen und v.a. der Schrift „Das bittere Leiden unsers Herrn Jesu Christi“ der seliggesprochenen Mystikerin Anna Katharina Emmerick aus Dülmen basiert. In dieser an Splatter- und Gore-Effekten reichen, teils sadistisch angehauchten Passionsgeschichte mit Jim Caviezel als Jesus wird dieser zum bloßen König der Schmerzen. Die Finanzierung des Films war in wesentlichen Teilen nur durch US-Evangelikale und Fundamentalisten möglich.


Aramäisch, Hebräisch und Latein mit Untertiteln. Einzelne, tief bewegende Momente täuschen nicht darüber hinweg, dass dieser hocheffektive, technisch brillante Film nur Mache mit zwiespältigem Beigeschmack ist.









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10.) „Die größte Geschichte aller Zeiten (1965)“ – George Stevens sr.

- The Greatest Story Ever Told –




Großer Schauspieler in Breitwand verschenkt: Max von Sydow als Jesus.





Der zweite grosse Hollywood-Bibelfilm über das Leben Jesu, mit völlig anderem Ansatz als „König der Könige“, basierend auf Fulton Ourslers gleichnamigem Buch. Obgleich der große Max von Sydow sich in der Hauptrolle trefflich müht, hat er gegen die exzessive Zurückhaltung und frömmlerische Feierlichkeit der Regie keine Chance. Obschon visuell, zumal auf der Großleinwand absolut sensationell und trotz einer beeindruckenden von Händel und Verdi durchzogenen Filmmusik (Alfred Newman), erschlägt die statische, behäbige Inszenierung in ihrer pietistischen Antiseptik die Handlung.




Enorm schleppend, in Ausschnitten aber sehr eindrucksvoll. Starbesetzung umfasst u.a. José Ferrer, Charlton Heston, Roddy McDowall, John Wayne, Shelley Winters, Claude Rains, Telly Savalas, Dorothy McGuire und mit Sidney Poitier, als Simon von Cyrene, den ersten Schwarzen in einem Jesus-Film.
Gedreht am Grand Canyon und im Monument Valley.









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11.) „Der Messias (1975)“ – Roberto Rossellini

- Il Messia –




Pier Maria Rossi als Jesus in Rossellinis langweiligem Nachklapp.





Roberto Rossellinis letzter, in Tunesien gedrehter, Film behandelt die Evangelien sehr werkgetreu und unaufgeregt, folgt dabei einem ähnlichen Ansatz wie „Die größte Geschichte aller Zeiten“, jedoch ohne dessen Schauwerte. Lange Einstellungen sollen meditative Kraft erzeugen und geben den Schauspielern Raum für Natürlichkeit und Improvisation.

Pier Maria Rossi kann sich mit den besseren Darstellern dieser Figur nicht messen, neben Dafoe, Powell oder Irazoqui verblasst er. Zudem verweigert der Film jede Darstellung von Gewalt, weshalb z.B. der Vollzug der Kreuzigung ausgespart wird. Ein ernsthafter, seriöser Versuch mit formal strengem Konzept, aber für ein nicht-asketisches Publikum- trotz interessantem Soundtrack von Mario Nascimbene- zu reizlos.
















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