Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Freitag, 1. April 2022

Michael Strogoff


Michael Strogoff



Seit fast zwanzig Jahren lief er nicht mehr im TV, als er 2006 endlich auf DVD erschien:

"Michael Strogoff" von 1976, in 4 Teilen.


Als Kind habe ich diesen Mehrteiler das erste Mal gesehen und war absolut fasziniert, vor allen Dingen von Raimund Harmstorf als Kurier, den tollen Kämpfen und besonders der großartigen Musik. Das Titelthema hatte ich selbst nach all denJahren noch immer unverändert im Ohr. Der Eindruck, denn diese Verne - Verfilmung auf mich gemacht hat, war so groß, dass ich damals im Fasching sogar als Michael Strogoff verkleidet ging - nur um festzustellen, dass niemand wußte, WER das war.





Vor diesem Hintergrund rechnete ich fast damit, als Erwachsener von dem einstigen ZDF-Weihnachts-Vierteiler enttäuscht zu sein, aber das war nicht der Fall.

Immer noch packt die Geschichte des Geheimkuriers, der, in der Geheimidentät des Kaufmannes Nikolaj Korpanow, vor dem Hintergrund des Tatarenaufstandes von 1870, mit einer Warnung an den Großfürsten, unerkannt und ohne Hilfe von Moskau nach Irkutsk reisen muss.
6000 Kilometer von Europa nach Asien, eine Strecke fast viermal so weit wie vom einen Ende Europas zum Anderen - ein schier unmögliches Unterfangen - und eine Reise die ihn mitten durch die feindlichen Linien der Tataren führt. Gejagt zudem von der russischen Polizei, der er sich nicht zu erkennen geben darf, findet er eine perfekte Tarnung in seiner Reisegefährtin Nadja Fjodor, die er als seine Frau ausgibt.....





Die aufwändige Inszenierung von Jean-Pierre Decourt (2.996 Statisten und 800 Pferde kamen zum Einsatz) ist Spannung pur! Durchschnittlich 20 Millionen Zuschauer sahen den Vierteiler in Deutschland, die letzte Episode am 6. Januar 1977 sogar 25,14 Millionen.

Trotz einiger weniger aus heutiger Sicht darstellerisch und fotografisch ungelenker Stellen, und einer leider nicht immer lippensynchronen Synchronisation, nach wie vor ein faszinierendes Abenteuerspektakel, bei dem man sich magisch in alte Zeiten zurückversetzt glaubt.

Die Besetzung der Hauptrollen (Harmstorf, Lorenza Guerrieri, Valerio Popesco)ist überzeugend, wobei besonders Harmstorf heraussticht, dem es gelingt Strogoff nicht nur (aber auch) als mitreißenden Kraftmenschen von praller Körperlichkeit zu zeichnen, sondern ihm auch feine, sensible, leidenschaftliche Nuancen zu geben vermag, immer wieder seine innere Zerrissenheit ob der Opfer die sein Auftrag fordert, spiegelnd.



Bemerkenswert auch sein - sogar besonders für heutige Verhältnisse - enorm hoher physischer Output, der ihn auch gefährlichste Actionsequenzen ungedoubelt meistern und sich bis zur Erschöpfung auspowern ließ (Die Szene in den Sümpfen), man sieht förmlich jede Schweißperle.
Davon zeugten denn auch unter anderem von Schwerthieben zernarbte Hände, eine Verletzung der Achillessehne und ein Anbruch der Schulter.


Herausragend die unvergessliche, treibende Musik von Vladimir Cosma ("La Boum - Die Fete" 1980), ebenso wie der großartige, leicht psychedelisch angehauchte Vorspann, das hätte Saul Bass nicht besser gemacht.




Positiv zu vermerken ist auch der überwiegend geglückte Versuch - im Gegensatz zur Romanvorlage - die Tataren und ihre Motive (v.a. über den Demokraten Ogareff) ein wenig zu verstehen, und sie nicht als bloße Untermenschen darzustellen.

Ärgerlich hingegen die Anmaßung der damaligen deutschen Bearbeiter beim ZDF, namentlich Walter Ulbrichs (unter dem Pseudonym Robert Brandau), die leider ungeniert das Finale aus dem fertigen Film herausschnitten. Zwar ist die Begründung, die Ballszene sei nach dem dramatisch - tragischen Finale stilistisch völlig unpassend, bis zu einem gewissen Punkt nachzuvollziehen und wahrscheinlich sogar richtig, nur kommt das Ende dadurch so abrupt, dass der Pfusch für jeden Zuschauer spürbar wird.




Dass die Beziehung zwischen Nadja und Strogoff in der Schwebe bleibt, mag tatsächlich besser sein, jedoch dass einige Figuren bzw. Handlungsstränge gänzlich auf der Strecke bleiben, namentlich die beiden Journalisten Jolivet und Blount (immerhin große Rollen, die in allen 4 Folgen erheblich beteiligt waren), sowie Nadjas Vater, die einfach verschwinden und nie wieder auftauchen (weil eben die letzte Szene fehlt) - ist unverzeihbar.

FAZIT: Großartige, sehr aufwändige, detailverliebte Abenteuerunterhaltung mit starkem nostalgischem Einschlag und mitreißendem Hauptdarsteller. Die bis heute mit Abstand beste Verfilmung von Vernes "Kurier des Zaren"!


Vladimir Cosma - Michel Strogoff, pt. 3 - Remastered - YouTube


Harmstorf sprach die Rolle übrigens zur selben Zeit auch in einer bemerkenswert intensiven zweiteiligen Hörspielfassung von Polydor (später Karussell) aus der Feder und in der Regie der großen Dagmar von Kurmin, die auch die Rolle der Nadja sprach. Erzähler war Wolfgang Kieling.



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