Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Mittwoch, 22. Juni 2022

Sophies Entscheidung





Sophies Entscheidung (1982)



Stab:

Stab
Regie Alan J. Pakula
Drehbuch Alan J. Pakula
Produktion Alan J. Pakula,
Keith Barish
Musik Marvin Hamlisch
Kamera Néstor Almendros
Schnitt Evan A. Lottman

Besetzung:

Meryl Streep: Sophie
Kevin Kline: Nathan
Peter MacNicol: Stingo
Günther Maria Halmer: Rudolf Höß
Robin Bartlett: Lillian Grossman
Josh Mostel: Morris Fink
Karlheinz Hackl: KZ-Aufseher




"Sopie's Choice" ist ein feiner, fesselnder, wunderbar gespielter, herzzerreißender Film. Er handelt von drei Menschen, die vor einer Reihe von Entscheidungen stehen, manche frivol, manche tragisch. Während sie in der Verwirrung des Menschseins im Zeitalter des Wahnsinns zappeln, werden sie unsere Freunde, und wir lieben sie.

Roger Ebert, Kritikerlegende

Peter MacNicol, Meryl Streep und Kevin Kline


1979 schrieb William Clark Styron seinen Roman "Sophies Entscheidung".
Das Buch gewann den National Book Award für den besten Roman des Jahres.



"Sophie's Choice" löste zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung erhebliche Kontroversen aus. Es wurde in Südafrika verboten, in der Sowjetunion zensiert und im kommunistischen Polen wegen "seiner schonungslosen Darstellung des polnischen Antisemitismus" verboten. Auch in einigen High Schools in den Vereinigten Staaten wurde der Roman verboten.
Im Jahr 2002 erhielt Styron den Witness to Justice Award der Auschwitz Jewish Center Foundation.



1982 erschien die Verfilmung des  preisgekrönten, autobiographischen Romans gleichen Titels- das bedeutende aber zu wenig bekannte Holocaustdrama „Sophies Choice“ von Alan J. Pakula (Produzent von "Wer die Nachtigall stört" 1962, Regie bei "Die Unbestechlichen" 1976) 



DER PLOT

New York, Brooklyn 1946:
Der junge, angehende Schriftsteller Stingo (Filmdebüt: Peter MacNicol "Ally McBeal"), das Alter Ego Styrons, der aus dem OFF seine eigene Geschichte erzählt, zieht in ein Boarding House und lernt seine Mitbewohner kennen, das ausgeflippte Ehepaar Nathan (Filmdebüt: Kevin Kline) und Sophie (Meryl Streep) - eine merkwürdige Mesalliance:
Sophie, lebenslustige Immigrantin aus Polen die etwas sehr Zerbrechliches, Geisterhaftes umgibt und Mediziner Nathan, ein überlebensgroßer Charakter voller Spleens und Verrücktheiten scheinen in einer teils poetischen , teils brutalen Hassliebe verbunden.


Zwischen Stingo und dem Paar entsteht eine tiefe, unzertrennliche Freundschaft. Doch Schritt um Schritt bröckelt die Fassade und als Stingo sich in Sophie verliebt und diese ihm in Rückblenden ihre Geschichte erzählt, die Geschichte einer unvorstellbaren Tragödie die zurückführt zu Sophies Geheimnis, einer schrecklichen, unmenschlichen Entscheidung auf der Rampe von Auschwitz- Birkenau, beginnt er zu verstehen dass Nathan und Sophie Verlorene sind.....



Aus einer bittersüßen Romanze und Freundschaftsgeschichte, getragen von einem wunderbaren Darstellertrio, aus dem sich in Rückblenden ein erschütterndes Holocaustdrama kristallisiert, entwickelt sich eine sehr bewegende, sensible und stark unterschätzte Literaturverfilmung, extrem werkgetreu, von Nestor Almendros großartig fotografiert und mit einem zu Tränen rührenden Soundtrack von Marvin Hamlisch ("Der Clou")

Peter MacNicol und Kevin Kline sind in ihren extrem schwierigen (und undankbaren) Rollen absolut fantastisch, und es braucht keine zwanzig Minuten bis man sich rettungslos in diesen Figuren verliert.
Aber Meryl Streeps ungeheuerliche drei- sprachige (Englisch mit polnischem Akzent, Polnisch, Deutsch mit polnischem Akzent) Darstellung der Holocaustüberlebenden Sophie Zawistowski, die an der "Schuld des Überlebens" zugrunde geht ist eine der größten schauspielerischen Leistungen der 80iger Jahre, der Nachkriegszeit und des 20. Jahrhunderts - und überschattet ungewollt ihre Co-Hauptdarsteller. 



Zerbrechlich bis zum Äußersten, seelisch nackt, mit einer Wahrhaftigkeit die mit Händen zu greifen ist, spielt sie diesen überschäumenden Menschen, der mit aller Kraft leben will, und doch von den Schatten der Vergangenheit für immer gezeichnet ist.



„Die Geschichte zerstört manchmal selbst Menschen, die sie überleben“ sagt ein berühmtes Zitat und nie war es zutreffender als für diese Figur, die Streep mit einer handwerklichen Virtuosität spielt, bei der selbst ich als Profi mit über eineinhalb Dekaden Berufserfahrung nicht vollständig erklären kann, wie sie das macht, was sie da macht – vermutlich kann sie es nicht einmal selbst.
Für diese Rolle, um die sie Regisseur Alan Pakula auf Knien anbettelte, der eigentlich Liv Ullman oder Marthe Keller besetzen wollte, nahm die vielversprechende Nachwuchsdarstellerin eine enorme Vorbereitung auf sich – mehr als ein Jahr intensiver Hintergrundrecherche, sie lernte 4 Monate Deutsch und Polnisch mit Sprachcoaches und nahm für die Auschwitz-Szenen, die in Jugoslawien gedreht wurden, deutlich Gewicht ab.



In der berühmten Szene mit der titelgebenden „Entscheidung“ ging Streep, die damals bereits selbst Mutter war, an die Grenze des für sie Erträglichen – und darüber hinaus. Sie konnte die Szene nur ein einziges Mal drehen, in nur einem Take, und konnte sie dann nie wieder ansehen. Sie spielte sie so, dass niemand sie vergessen kann, der sie einmal gesehen hat, sie lässt einen sehr echten, sehr persönlichen Schmerz zu, der die Leinwand transzendiert.





Nach diesem Film galt die Newcomerin als beste englischsprachige Schauspielerin ihrer Generation, und erhielt –trotz starker Konkurrenz, letztlich fast konkurrenzlos- den Oscar als Beste Hauptdarstellerin 1982. 


Hier der Ausschnitt – übrigens war ihre jüngste Tochter, die Schauspielerin Mamie Gummer damals mit ihr auf der Bühne. In ihrem Bauch:


Streep gewann außerdem den Golden Globe als Beste Hauptdarstellerin, den Darstellerpreis der Bostoner Filmkritiker, Den Darstellerpreis der Filmkritiker von Kansas City, den Darstellerpreis der Filmkritiker von Los Angeles, den Darstellerpreis des National Board of Review, den Darstellerpreis des Nationalen Kritikerverbandes und den Darstellerpreis der New Yorker Filmkritiker.
(Man beachte übrigens auch Katharina Thalbach, Karlheinz Hackl und Günther Maria Halmer in wichtigen Nebenrollen in den Rückblenden.) 

Es ist eine wesentliche Stärke dieses hervorragenden Films, dass er den Humor findet, der aus Tragik kommt, dass er Kraft und Mut gibt, auf einer Note der Hoffnung endet, obwohl er von einem Verlust erzählt.

Am Ende zitiert Stingo aus dem Gedicht von Emily Dickinson:

Ample make this bed.
Make this bed with awe;
In it wait till judgment break
Excellent and fair.
Be its mattress straight,
Be its pillow round;
Let no sunrise' yellow noise
Interrupt this ground.

Fazit:
Eine bittersüße, zuletzt todtraurige Geschichte vom Überleben, getragen von einem famosen Hauptdarsteller-Trio, aus dem Streeps unfassbare tour de force herausragt.

(ACHTUNG: Bitte auf das Vorschaubild klicken, anscheinend wird der FilmLink geblockt!)

Sophie's Choice 1982
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Sophie's Choice 1982

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