Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Sonntag, 23. Januar 2022

And the Band played on



AND THE BAND PLAYED ON


FILMTIPP: "...AND THE BAND PLAYED ON (1993)". (...und das Leben geht weiter)


Stab:


Regie Roger Spottiswoode
Drehbuch Randy Shilts,
Arnold Schulman
Produktion Sarah Pillsbury,
Midge Sanford
Musik Carter Burwell
Kamera Paul Elliott
Schnitt Lois Freeman-Fox


Besetzung:

Matthew Modine: Dr. Don Francis
Saul Rubinek: Dr. Jim Curran
Alan Alda: Dr. Robert Gallo
Patrick Bauchau: Dr. Luc Montagnier
Nathalie Baye: Dr. Françoise Barré
Ronald Guttman: Dr. Jean-Claude Chermann
Tchéky Karyo: Dr. Willy Rozenbaum
Christian Clemenson: Dr. Dale Lawrence
Jeffrey Nordling: Flugbegleiter Gaëtan Dugas
Charles Martin Smith: Dr. Harold Jaffe
David Clennon: Mr. Johnstone
Phil Collins: Eddie Papasano
Bud Cort: Antiquitätenhändler
Alex Courtney: Dr. Mika Popovic
David Dukes: Dr. Mervyn Silverman
Richard Gere: Der Choreograph
David Marshall Grant: Dennis Seeley
Glenne Headly: Dr. Mary Guinan
Anjelica Huston: Dr. Betsy Reisz
Richard Jenkins: Dr. Marc Conant
Swoosie Kurtz: Mrs. Johnstone
Steve Martin: Der Bruder
Richard Masur: William W. Darrow
Ian McKellen: Bill Kraus
Lily Tomlin: Dr. Selma Dritz


Seit nunmehr fast 2 Jahren befinden wir uns in der CoronaPandemie, aus diesem Grund krame ich an dieser Stelle, diesen älteren Filmtipp nochmals aus – denn er zeigt mustergültig, was passiert, wenn auf Epidemien eben nicht so konsequent und so durchgreifend reagiert wird, wenn man nicht die massiven Maßnahmen wagt, die wir derzeit erleben.

 
Das Virus, das dieser, vom späteren James Bond Regisseur Roger Spottiswoode inszenierte halbdokumentarische Spielfilm, der eigentlich fürs Kino entwickelt worden war, zum Thema hat, HIV, ist ungleich gefährlicher, sehr viel tödlicher und bei weitem nicht so ansteckend, wie Corona; dennoch hatte man hier nach den ersten lokalen Ausbrüchen in den USA der frühen 80iger Jahre, noch die Chance die spätere Pandemie komplett aufzuhalten – man tat es nicht.

Das rechtskonservative US-Gesundheitsministerium unter Reagans Gesundheitsministerin Margaret Heckler unterließ praktisch alle Schutzmaßnahmen, die wir heute beim ungleich harmloseren Corona-Ausbruch erleben, informierte Öffentlichkeit und besonders Gefährdete nicht, strich sogar noch Forschungsgelder und lud dabei größte Schuld auf sich. Es handelte sich um kollektives Behördenversagen mit Vorsatz.


„And The Band Played On“ basiert auf dem auf dem umfangreichen Sachbuch gleichen Titels des Journalisten Randy Shilts, über den Ausbruch, die Entdeckung und Erforschung jener unheimlichen und damals völlig unbekannten Immunschwächekrankheit AIDS und das Versagen einer ganzen Gesellschaft im Angesicht einer Epidemie - ausgezeichnet (unter anderem) mit dem Pulitzerpreis.
Dieses hochspannende Non - Fiction Buch gilt als DAS Standardwerk zum Thema Aids - Krise und als Meisterwerk der Recherche (Shilts studierte sogar Tagebücher der Beteiligten um den exakten Verlauf von Gesprächen wiedergeben zu können) .

Es belegte auch absolut minutiös die Tragik dessen, dass diese Krankheit in der ersten Phase hauptsächlich amerikanische Homosexuelle betraf und daher von einer stockkonservativen und homophoben Regierung nicht angemessen bekämpft wurde.


1993, noch VOR "Philadelphia" sollte der Stoff als Spielfilm verfilmt werden - aber keine der großen Produktionsgesellschaften in Hollywood wollte damals das brandheiße das Tabuthema angehen, zumal auch Regierungsstellen darin kritisiert wurden. Da schlug die Stunde von HBO, damals das RTL II Amerikas, der den Stoff gegen großen politischen Widerstand produzierte, und damit den Wandel zu dem Kultursender vollzog, der er heute ist.


Finanzierbar und durchsetzbar war "...And The Band Played On" nur weil Superstars wie Richard Gere (als schwuler, aidskranker Choreograph), Steve Martin (als Bruder eines Opfers) und Phil Collins (als Besitzer einer Schwulensauna) bereit waren kostenlose Cameoauftritte zu absolvieren, die damals in den 90igern nicht ohne berufliches Risiko waren. Der starke und bewegende, für 14 Emmys nominierte, Fernsehfilm gewann zahlreiche Auszeichnungen, und hat einen sehr bewegenden Schluss. Wer die 80iger nicht miterlebt hat, kann einiges lernen. Wer es hat, auch.


Einige Stellen sind unvergesslich. Etwa wenn Matthew Modine als der im Mittelpunkt stehende Epidemiologie Dr. Don Francis, einem Chef der Blutbanken auf die Bemerkung "Wegen ein paar toter Bluter geben wir doch nicht Millionen aus" das historisch belegte Zitat "Wie viele tote Bluter brauchen sie denn ?!!" entgegen schreit. Stattgefunden hatte der Wortwechsel auf einer Konferenz mit den US-Blutbanken die sich aus finanziellen Gründen weigerten den damals bereits recht gut wirkenden Bluttest anzuwenden, und stattdessen weiterhin wissentlich Transfusionen mit HIV-kontaminierten Blutkonserven zuließen.

Die Darsteller, allen voran Theaterschwergewicht Ian McKellen als Bill Kraus und Alan Alda als eiskalter, arroganter Medizinstar Dr. Robert Gallo und eben Modine sind hervorragend.
Einziger Minuspunkt: Die scharfe Regierungskritik des Buches, vor allem an Margaret Heckler, die durch extremes und vorsätzliches Fehlmanagement der Krise entscheidende persönliche Verantwortung dafür trägt, dass die im Fall prognostizierten Opferstatistiken heute eingetreten sind, musste aus Gründen der Verdichtung deutlich zurücktreten.


Fazit: Großartiger gespielter, halbdokumentarischer TV-Film auf Kino-Niveau über eine - frühere- Krise die bis heute nur teilweise bewältigt ist.



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