Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Freitag, 21. Januar 2022

Summer of `84

 SUMMER OF `84



Besetzung
Graham Verchere: Davey Armstrong
Judah Lewis: Tommy „Eats“ Eaton
Caleb Emery: Dale „Woody“ Woodworth
Cory Grüter-Andrew: Curtis Farraday
Tiera Skovbye: Nikki Kaszuba
Rich Sommer: Wayne Mackey 


TRAILER:

Sobald Sommer '84 loslegt, legt er richtig los, und in seinen dunkelsten Momenten hatte ich gehofft, die Filmemacher hätten uns einen Traumsequenz-Fake vorgegaukelt, vielleicht zu Ehren von Brian De Palma.“
Alan Scherstuhl, THE VILLAGE VOICE


Sogar Serienmörder wohnen neben jemandem. Schwer zu schlucken, ich weiß, aber es ist wahr. Wenn ich etwas gelernt habe, dann, dass die Leute einem kaum je sagen, wer sie wirklich sind. Gleich hinter den gepflegten Rasenflächen und dem freundlichen Winken, in jedem Haus, sogar in dem Haus nebenan, könnte alles Mögliche passieren und man würde es nie erfahren. Und das ist die Sache mit diesem Ort, es mag alles normal und routinemäßig erscheinen, aber die Wahrheit ist, dass in den Vorstädten die verrücktesten Scheiße passiert. Man weiß nie, was um die Ecke kommt.“
DAVEY (Voice Over)


Diese spannende amerikanisch-kanadische Melange aus nostalgischem Retro-Coming-Of-Age Film und klassischem 80iger Jahre-Thriller war einer DER Geheimtipps von 2018.
Und nicht zu Unrecht.

Die enorm detailverliebte und liebevoll gemachte von Synthesizerklängen umschmeichelte Indieperle, die einen direkt in die 1980er katapultiert, erzählt die Geschichte von vier Freunden und ihren Erlebnissen in den Sommerferien 1984….es ist das Jahr in dem „Magnum“ das Hippste im Fernsehen ist, Bruce Springsteen „Born In The USA“ singt, „Ghostbusters und „Gremlins“ kommen in diesem Sommer in die Kinos, Ronald Reagan wird wiedergewählt und Alex Trebek moderiert zum ersten Mal „Jeopardy!“…

In diesem Sommer , in der Kleinstadt Cape May, vertreiben sich vier Jugendliche, der sensible Davey (Grandios: Graham Verchere) , der rebellische „Eats“ (Judah Lewis), der brillentragende Nerd Curtis (Cory Grüter-Andrew) und der fettleibige, empfindsame „Woody“ (Caleb Emery) die Zeit mit elaborierten nächtlichen Versteckspielen bei denen auch Walkie –Talkies und BMX-Räder zum Einsatz kommen, nur gelegentlich unterbrochen von Ausläufern der Entdeckung ihrer Geschlechtlichkeit. 


Alle vier bewundern die wunderschöne und coole Nikki Kaszuba (Tiera Skovbye), zugleich prima Kumpel und Sehnsuchtsobjekt, deren Eltern sich just in diesem Sommer scheiden lassen.

Es könnte ein ganz normaler, pubertärer Sommer ein paar Jahre vor dem Erwachsenwerden sein, aber es wird anders, ganz anders, kommen. Denn Davey, ein True-Crime-Junkie und Fan elaborierter Verschwörunsgtheorien stellt einen Zusammenhang her, zwischen dem spurlosen Verschwinden mehrerer Jungen in Cape May: Ganz, klar, ein Serienmörder geht um.

Seine Freunde, die seine Phantasie gut kennen, glauben ihm kein Wort. Bis es tatsächlich in den Nachrichten kommt: Es geht tatsächlich ein Serienkiller um, der „Cape May Slayer“ der es auf Jungens abgesehen hat.


Und Davey hat auch schon einen Verdacht, der neu in die Straße gezogene Wayne Mackey (Rich Sommer) hat in seinem Keller einen mit Schlössern versiegelten Raum, den niemand betreten darf, und Davey ist sich sicher ihn in Begleitung eines Jungen gesehen zu haben, dessen Konterfei jetzt in der Rubrick „Vermißt“ auf der Milchpackung prangt. Einziger Haken der These: Wayne Mackey…..ist ein Polizeibeamter….

Und so beginnen die vier Freunde, unterstützt von Nikki, zunächst unbemerkt von Daveys Eltern (Shauna Johannesen und Jason Gray-Stanford, der „Randy Disher“ aus „Monk“) heimlich zu ermitteln…

Was den, vom Trio François Simard, Anouk und Yoann-Karl Whissel, nach einem Drehbuch von Matt Leslie und Stephen J. Smith inszenierten Film so besonders macht, ist nicht nur die meiserhafte bis ins winzigste Detail gehende Beschwörung der 1980er Jahre, sondern sein brillantes, doppelbödiges Spiel mit Schein und Sein, wie lange es ihm, durch eine Reihe zutiefst verblüffender Plot Twists, immer wieder gelingt offen zulassen ob der monströse Verdacht der Jugendlichen stimmt, oder ob sie einen völlig unschuldigen Mann verfolgen, sich doch nur in einen Wahn verrannt haben, und wir, als Zuschauer, aufgrund großartiger Manipulation, möglicherweise mit ihnen.
Die Regisseure verstehen es auch hervorragend eine Reihe sehr unterschiedlicher Tonalitäten in ein und demselben Film entstehen, nebeneinander existieren und sogar in einander überfließen zu lassen….das langsam aufgebaute Coming-Of-Age- Drama (mit Anspielungen auf „Die Goonies“), das zum zunehmend hochspannenden Ferienabenteuer wird („Fenster zum Hof“-Touch), das letztlich in einen düsteren Thriller kippt, bevor es zur finalen und völlig unvorhersehbaren Wendung kommt, die….nun zu einem Ende führt, wie man es in einem Film wie diesem so noch nicht gesehen hat. 

Die Art und Weise, wie Skript und Regie die jugendlichen Protagonisten ernst nehmen, und das Spiel mit diesen Tonalitäten ermöglichen es, dem Zuschauer eine echte Gewissheit über die Story so lange vorzuenthalten, wie es hier gelingt. Der Mut wird belohnt, denn hier entstand etwas das, obschon es wahnsinnig leicht zu einem Abklatsch von „Es“ oder einem geringeren „Stranger Things“ hätte werden können, zu etwas ganz und gar Originärem von bestechender Anders- und Einzigartigkeit wurde.

Kein Wunder, dass „Summer of `84“ auf dem Sundance Film-Festival einschlug wie eine Bombe.

Einer der Co-Produzenten ist übrigens Schauspieler Jameson Parker, der in den 80igern in der Krimi-Serie „Simon und Simon“ an der Seite von Gerald McRaney ein TV-Star war (https://scontent-frx5-1.xx.fbcdn.net/.../94069041...)


Fazit:
Famose, sehr stilsichere Mischung aus nostalgischem Coming-Of-Age Drama, Ferienabenteuer und beinhartem Thriller, die das Publikum so ernst nimmt, wie seine Protagonisten, und keine Angst hat beiden direkt an die Gurgel zu gehen. Sehr sehenswert !!

1 Kommentar: