Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Mittwoch, 26. Januar 2022

PEEPING TOM – AUGEN DER ANGST



PEEPING TOM – AUGEN DER ANGST

 „PEEPING TOM – AUGEN DER ANGST (1960)“ 


Michael Powells hypnotisches Thriller–Meisterwerk stammt aus demelben Jahr wie Hitchcocks „Psycho“ und ist genauso bedeutend, war aber jahrzehntelang verschollen und unsagbar verfemt.

Stab
Regie Michael Powell
Drehbuch Leo Marks
Produktion Michael Powell
Musik Brian Easdale
Kamera Otto Heller
Schnitt Noreen Ackland

Besetzung
Karlheinz Böhm: Mark Lewis
Anna Massey: Helen
Maxine Audley: Helens Mutter
Moira Shearer: Vivian
Shirley Anne Field: Pauline Shields
Esmond Knight: Arthur Baden, Regisseur
Pamela Green: Milly, Model
Martin Miller: Dr. Rosar
Jack Watson: Chief Insp. Gregg
Nigel Davenport: Det. Sgt. Miller
Michael Goodliffe: Don Jarvis
Brenda Bruce: Dora, Prostituierte
Miles Malleson: Älterer Fotokunde

Der Inhalt:

Der scheue Profi-Kamermann & Beleuchter Mark Lewis, durch Kindheitserfahrungen mit seinem Vater, einem Verhaltensforscher, traumatisiert, toetet Frauen in dem er sie mit dem Stativ-Fuß seiner Kamera, in dem eine Klinge versteckt ist, ermordet und dabei die Todesangst in den Augen seiner Opfer als Close Up filmt (was wiederum der Zuschauer aus seiner subjektiven Perspektive durch das Okular seiner Kamera sieht). Später ergötzt er sich in seinem Vorführraum an den Filmen. Doch dann verliebt er sich in die neue Untermieterin in seinem Haus, und kämpft gegen seine schreckliche Neigung an. Doch deren blinde Mutter ahnt, dass etwas ganz und gar nicht stimmt….


Als der Film, in dem „Sissi“s Franzl Karlheinz Böhm als Carl Boehm herausragend den seelisch zerrissenen Serienmörder Mark Lewis spielt, anlief kam es zu einer katastrophalen Premiere. Das Publikum buhte den Film aus. Boehm und Star-Regisseur Powell wurden wie Aussätzige behandelt.
Die englischen Filmkritiker drehten völlig durch, zerstörten die Karriere von Powell, bis dahin einer der bedeutendsten britischen Regisseure der Tonfilmära, mit der Schreibmaschine. Die Kritiken waren so furchtbar, dass der Film nach der Laufzeit von nur einer Woche regelrecht aus den Kinos geprügelt wurde, und für Jahrzehnte verschwand.
 


Die Karrieren von Drehbuchautor Leo Marks, Regisseur Michael Powell und Karlheinz Böhm erholten sich niemals von dem Skandal. Bei weitem zu radikal war der an der Oberfläche virtuose, visuell brillante Thriller (sensationelle Farbdramaturgie!!), der zugleich eine komplexe Studie von Individualisierung & Vereinsamung, aber auch eine absolut verstörende, bis ins kleinste Detail durchdachte, Metapher für die Abgründe und Besessenheit des Filmemachens selbst darstellt.
„Peeping Tom“ (engl. für Voyeur, Spanner) war seiner Zeit um viele Jahrzehnte voraus- auch kriminologisch. Das Skript traf die Psychologie von Serienmördern, die die Abteilung für Verhaltensforschung des FBI in Quantico erst 10-15 Jahre später entschlüsseln sollte, mit frappierender Genauigkeit.


Erst 1979 wurde eine von Martin Scorsese bezahlte Restauration des bis dahin verschollenen Films auf dem New Yorker Filmfestival gezeigt, eine Wiederaufführung die zu stehenden Ovationen führte, die der über 80-jährige Michael Powell sehr gerührt entgegen nahm.
 
Fun Fact am Rande: Drehbuchautor Leo Marks wirkte später als Sprecher der Stimme des Teufels in Scorseses Meisterwerk „Die letzte Versuchung Christi“ (1988) mit – der einen noch größeren Skandal auslöste (ein Kino fiel sogar einem Brandanschlag zum Opfer), den Scorsese jedoch überstand.

UNBEDINGT SEHENSWERT!


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