Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Freitag, 14. Januar 2022

Don`t look up

 


Don't Look Up (2021) - Doppel-Filmbesprechung

Eine Doppelfilmbesprechung der beiden BlogAdministratoren 
Stefan C. Limbrunner und Anja Renth

Don`t look up

Deutscher Titel: Don`t look up
Regie: Adam McKay
Drehbuch: Adam McKay
Produktion: Adam McKay/Kevin J.Messick
Musik: Nicholas Brittel
Kamera: Linus Sandgren
Schnitt: Hank Corwin

Anja:


Seit langem habe ich keinen neuen Film mehr gesehen, der mich derart fasziniert und von der ersten Minute an mitgerissen hat, wie „Don`t look up“ von Adam McKay („The Big Short“, „Vice – der zweite Mann“)
Schon der Cast allein schafft es, einem ein anerkennendes „wow“ zu entlocken: Neben Leonardo diCaprio und Jennifer Lawrence als Astronomieprofessor und dessen Doktorandin, geben sich hier niemand Geringeres als Merryl Streep als Präsidentin der USA und Cate Blanchett als TalkShowModeratorin (kaum zu erkennen) die Ehre, genauso wie Mark Rylance (CEO Peter Isherwell)) und Jonah Hill (Jason Orlean)
Ab der ersten Minute schon wird man in atemberaubendem Tempo mitgerissen , in der man von der Entdeckung eines gigantischen Kometen erfährt, der unaufhaltsam auf die Erde zurast und diese wohl, so die Wissenschaftler, restlos zerstören wird.

Natürlich wollen Doktorandin Dibiasky (Lawrence) und Prof. Mindy (diCaprio),begleitet vom unterstützenden Dr. Oglethorpe (Rob Morgan), sofort die Obrigkeit, sprich, die Präsidentin der Vereinigten Staaten (Streep) darüber informieren, dass der Untergang der Welt in wenigen Wochen bevorsteht, müssen aber erkennen, dass sich diese eher für eine Geburtstagsfeier und die Torte interessiert.

Sie erfahren, dass diese Nachricht den laufenden Wahlkampf und damit die Wiederwahl negativ beeinflussen könnte und man sich somit nicht damit befassen will. Vielmehr entscheidet sie „Ruhe zu bewahren“ und zunächst zu „sondieren“.

Auch die Entscheidung der beiden Wissenschaftler, an die Öffentlichkeit zu gehen, löst nicht die erwartete Aufmerksamkeit aus. Dibiasky wird in hysterischen Memes und Zitaten diskreditiert, während Mindy als Sexsymbol stilisiert wird.
Ebenso wird mit Verleugnung und Verschwörungstheorien reagiert. Hier zeigt der Film brutale Ähnlichkeit mit den Leugnern und den Verschwörungsideologen der Klimakatastrophe, zeigt aber auch frappierende Bezüge zur aktuellen Corona-Situation.

Da die Präsidentin bald in einen üblen Sexskandal verwickelt ist der ihr wesentlich mehr schaden könnte, entschließt sie sich, nun doch tätig zu werden und nach Möglichkeiten zu suchen, den Kometen zu zerstören oder aber vom Ziel abzulenken Die Versuche aber, seine Umlaufbahn durch Atombomben zu verändern, werden durch den CEO eines großen Technikunternehmens abgebrochen, der versuchen will, den Kometen in mehrere kleine Stücke zu zerteilen, um diese gefahrlos auf der Erde landen zu lassen und die wichtigen Rohstoffe so abbauen zu können .

Die Öffentlichkeit wird nun in zwei Teile gespalten: Die einen sehen durchaus die Gefahren des Kometen und warnen davor, andere sehen die wichtigen Rohstoffe und deren wirtschaftlichen Möglichkeiten des Aufschwungs.

Als die Zeit knapp wird, ist der Komet schließlich mit bloßem Auge sichtbar. Um auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen, prägen Dibiasky und Mindy den Slogan „just Look up“, während die Regierung, die immer noch die Rohstoffe abbauen und die Gefahr nicht wahrhaben will, den Slogan „Don`t look up“ kreiert.

Schließlich ist der errechnete Tag gekommen, ein Teil der Menschheit wartet auf das Ende.......




Stefan:

Dass Adam McKays Film als bitterböse, rabenschwarze, zuletzt erschütternde Satire funktioniert, liegt an zahlreichen Faktoren, zuallererst aber am brillanten allegorischen Drehbuch, das in außerordentlicher Präzision den Ton zwischen Sidney Lumet’s „Network“ und Kubricks „Dr. Strangelove“ (dessen Niveau der Film auch faktisch erreicht) trifft, mit doppelbödigen, rasierklingenscharfen Dialogen und grandiosen Überzeichnungen sowohl zur Abrechnung mit dem Fake News Zeitalter. als auch zu einer finalen Warnung an uns alle wird.






Network (Peter Finch)


Dr.Strangelove (Peter Sellers)


Ebenso herauszuheben sind die exquisiten Schauspielerleistungen des All-Star-Casts:
Der fantastisch zurückgenommen agierende Di Caprio, ein Ensemble Player ganz im Dienst seiner Figur, aus dem erst zuletzt die schiere Verzweiflung herausbricht; eine großartige Jennifer Lawrence, mit einer hochsensiblen, sehr rohen, fast seelisch wunden Darstellung; Rob Morgan der das Wissenschaftlerteam zurückhaltend aber on point immer wieder erdet; Ein ungeheuer mutiger, selbstironischer Tyler Perry als oberflächlicher News Anchor und eine umwerfende Cate Blanchett als dessen gewissenlose Kollegin, die als gewissenlose FOX-News-Blondine fast nicht zu erkennen ist. Und Meryl Streep, die als charakterlos-trumpistische US Präsidentin nicht nur ein erschreckendes Porträt republikanischen Wahns liefert sondern auch auf Kurs zu ihrer 22. Oscarnominierung sein könnte. Als ihr geistlos-korrupter aber letztlich lebensunfähiger Sohn brilliert , bis an die Grenze zur bitteren Tragik, Jonah Hill. Der furchtlose Mark Rylance als grenzdebiler Elon Musk/Jeff Bezos Verschnitt lässt einem regelrecht die Kinnlade runterklappen. Und auch das Wiedersehen mit Ron Perlman und Melanie Lynskey (Charlie Harpers‘ Rose) erfreut das Cineasten-Herz.



An diesem Film stimmt einfach alles: Die Kameraarbeit von Oscarpreisträger Linus Sandgren („La La Land“), der unfassbare, starke, teils ikonische Bilder in großer Dichte kreiert, die noch lange nach dem Abspann nachhallen. Die großartige Filmmusik von Oscar-Nominee Nicholas Britell („Moonlight“), die zu einem bitteren, garstigen, aber umso fetzig-beschwingteren Abgesang auf Vernunft, Wahrheit, und, letztlich unsere Menschheit wird.



„Don’t Look Up“ triumphiert, weil er wagt. Er wagt es die Realität so exakt zu beobachten und allegorisch zu spiegeln, wie es gerade noch geht, ohne zur Doku zu werden, und zugleich so scharf zur Wahrheit hin zuzuspitzen, dass man noch gezwungen wird, zu glauben, was man sieht. Er wagt Größe ohne Angst vor Pathos. Er wagt es, brüllend komisch zu sein, und zu erschrecken und zu verstören – alles zur selben Zeit. Er geht dahin wo es weh tut und erlaubt uns, mit den virtuos beherrschten Mitteln der ungezügelten Satire, heilsam über den Schmerz zu lachen.

Das Szenario das der Film schildert, ist fiktiv. Die gesellschaftlichen, politischen und medialen Mechanismen, die er unbarmherzig seziert, sind Wirklichkeit. Ebenso wie das fast garantierte Versagen im Angesicht vergleichbarer Krisen, die längst am Horizont dämmern. Hier schwingt sich ein Filmemacher über seine Kunst hinaus auf, der eigenen Spezies zuzurufen, sie möge endlich ihren verdammten Arsch bewegen um ihr eigenes Überleben zu bewerkstelligen, bevor es zu spät ist.


INSIDERTIPP: Unbedingt den Abspann GANZ abwarten, da sind noch zwei Bonbons eingebaut; man will doch nicht das eigentliche Ende und die mutige Nacktszene der Streep verpassen, oder?

https://www.youtube.com/watch?v=b8ioeP0hHiQ














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