Der Titel dieses Blogs spielt natürlich auf das berühmte Magazin "Cahiers Du Cinema" (Notizen zum Kino) an, dessen Filmkritiker Francois Truffaut und Claude Chabrol später Regisseure und Wegbereiter eines neuen französischen Kinos wurden.
Dennoch ist dies kein arthouse Blog. Es ist ein Blog über die Liebe zum Film. Gute Filme. Und sehr schlechte. Egal woher sie stammen. Egal wie sie zu klassifizieren sind.

Mittwoch, 26. Januar 2022

"Z" 1969


Z

 „Z“ (1969) von Constantin Costa-Gavras 

Besetzung;
Yves Montand: Politiker
Jean-Louis Trintignant: Ermittlungsrichter
Irene Papas: Frau des Politikers
Jacques Perrin: Fotojournalist
Charles Denner: Manuel
Bernard Fresson: Matt
Georges Géret: Nick
François Périer: Staatsanwalt
Pierre Dux: General
Magali Noël: Nicks Schwester
Marcel Bozzuffi: Vago
Renato Salvatori: Yago
Clotilde Joano: Shoula
Julien Guiomar: Polizeioberst

„Unerträglich aufregend!“ Pauline Kael, Kritikerlegende

„Gavras' Umgang mit dem Lambrakis-Fall resultierte in einem temporeichen, straffen, jazzigen Film, der selbst Hollywood-konditionierte Mystery-Action-Süchtige begeistern konnte.“
Jim Williams

„In seiner eleganten filmischen Dringlichkeit und seiner Wut hat Z immer noch die Macht, das Publikum aufzurütteln.“
Ty Burr, The Boston Globe

„Der Film "Z" handelt von einem dieser Dinge: von der Ermordung eines Führers der politischen Opposition in Griechenland vor sechs Jahren. Es geht auch um alle anderen. Für die Amerikaner geht es um das My Lai-Massaker, um die Ermordung von Fred Hampton, um die Schweinebucht. Es geht darin nicht mehr um Griechenland, als es bei "Die Schlacht von Algier" um Algerien ging. Es ist ein Film unserer Zeit. Er handelt davon, wie selbst moralische Siege korrumpiert werden. Er wird Sie zum Weinen bringen und Sie wütend machen. Er wird Ihnen die Eingeweide herausreißen.
[…]
Dies scheinen rein politische Ereignisse zu sein, aber der junge Regisseur Costa-Gravas hat sie in einem Stil erzählt, der fast unerträglich spannend ist. "Z" ist gleichzeitig ein politischer Wutschrei und ein brillanter Spannungsthriller. Er endet sogar in einer Verfolgungsjagd: Nicht durch die Straßen, sondern durch ein Labyrinth aus Fakten, Alibis und offizieller Korruption.“

Roger Ebert, Filmkritikerlegende, 1970 in der Chicago Sun Times.


Es war der legendäre und ungeheuer gewagte Politthriller „Z“ der den Namen des Regisseurs, Costa-Gavras, international auf die Landkarte der Filmgeschichte setzte.

Noch während der rechtsextremen Militärdiktatur in Griechenland, griff der Grieche Costa-Gavras, basierend auf dem Tatsachenroman von Vasilis Vasilikos, dieselbe vor einer internationalen Öffentlichkeit frontal an. Es war Costa-Gavras dritter Film, und er schrieb, zusammen mit dem preisgekrönten Romancier Jorge Semprun auch das preisgekrönte Drehbuch.


So gewagt war der Film 1969, dass er aus Sicherheitsgründen französisch finanziert und de facto in Algerien gedreht werden musste. Nebendarstellerin Irene Papas, die ,seit „Alexis Sorbas“ (1964), eine internationale Karriere hatte, wurde als Mitglied der kommunistischen Partei unter dem Regime verfolgt und musste vor Beginn der Dreharbeiten aus Griechenland fliehen.

Der legendäre Komponist des Soundtracks, Mikis Theodorakis, der zugleich linker Aktivist war, war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits verhaftet und unter Hausarrest in Griechenland, er konnte Costa-Gavras lediglich die Verwendung bereits bestehender Stücke genehmigen bevor man ihn nach der Premiere in ein Konzentrationslager steckte, wo er nur knapp überlebte.


Zum Schutz der Crew, werden im Film die realen Nachnamen der Personen nicht verwendet, sie heißen nur „Der Doktor“ „Der Untersuchungsrichter“, „Der Oberst“.

Dass der Film überhaupt produziert werden konnte ist den algerischen Produzenten und deren französischem Kontaktmann, dem jungen Schauspieler Jacques Perrin zu verdanken (die meisten kennen ihn aus Tornatores „Cinema Paradiso“ von 1989, besonders aus dieser legendären Szene: https://www.facebook.com/permalink.php...) der als Co-Produzent fungierte und im Film die Rolle des „Journalisten“ spielte.

„Z“ erzählt die Geschichte der Ermordung des Linkssozialisten Grigoris Lambrakis im Jahr 1963 und der nachfolgenden Ermittlungen, die in einem Skandal gipfelten, der letztlich, als Gegenreaktion, zur rechtsextremen Militärdiktatur führte:

1963 wird der linkssozialistische Abgeordnete und Mediziner Grigoris Lambrakis (Yves Montand) auf einer pazifistischen, nato-kritischen Kundgebung in Saloniki in Ausschreitungen durch rechten Pöbel hineingerissen und dabei getötet, da die Polizei, trotz bestehender Todesdrohungen, die Absicherung der Veranstaltung verweigert und die Eskalation geschürt hat.

Der eher schüchterne junge Untersuchungsrichter Christos Sartzetakis (Darstellerpreis der Filmfestspiele von Cannes: Jean-Louis Trintignant), ein hochintelligenter Technokrat von vulkanischer Logik, wird mit den ersten Ermittlungen betraut.


Seine Vorgesetzten erwarten sich die Bestätigung eines „Unfalls“ – doch weit gefehlt: Unbeirrt und unbestechlich ermittelt der durch und durch ehrbare, unerfahrene Untersuchungsrichter, der seinen Amtseid wichtiger nimmt, als seine Vorgesetzten und als seine eigene Karriere, die Tatsachen, und, obschon selbst kein Linker, folgt er der Spur der Wahrheit und entlarvt eine unglaubliche Verschwörung:
Lambrakis war nicht „überfahren“ worden, sondern wurde durch einen tödlichen Schlag mit einem Schlagstock umgebracht, ein Mord, den hochrangige rechte Polizeifunktionäre und Militärs, in Zusammenarbeit mit einer rechtsextremen Bürgerwehr, geplant und beauftragt hatten.
„Der kleine Richter ist nicht umgefallen“ lautet einer der triumphalsten Sätze des Filmes, als Sartzetakis seine eigenen Vorgesetzten wegen Mordes anklagt.
Aber leider wird es so nicht kommen.
Militär- und Polizei putschen, und errichten als Junta, eine rechte Diktatur. Der Untersuchungsrichter wird abgesetzt. Das Verfahren eingestellt.
Im Epilog erfahren wir von den Maßnahmen der Junta:


„Die Militärs verboten in einem Atemzug Männern das Tragen langer Haare, Miniröcke, Sophokles, Tolstoi, Euripides, das Gläserwerfen nach Trinksprüchen, Arbeitskämpfe bzw. Streiks, Aristophanes, Ionesco, Sartre, Albee, Pinter, Pressefreiheit, Soziologie, Beckett, Dostojewski, moderne Musik, Volksmusik, moderne Mathematik und den Buchstaben „Z“. Im Griechischen bedeutet Ζεί, gesprochen Zi, „er lebt“.“

„Z“ - der Titel dieses wagemutigen Filmes – war die Losung der Lambrakis-Anhänger im Untergrund, während der Diktatur.


Der echte Christos Sartzetakis wurde nach seiner Amtsenthebung 1968 (ein Jahr vor dem Film) unter dem Obristen-Regime zweimal verhaftet. Beim zweiten Mal blieb er insgesamt rund ein Jahr in Haft, wobei er die ersten 50 Tage im Gefängnis der EAT-ESA, einer für ihre Methoden berüchtigten Verhörabteilung der Militärpolizei, stark gefoltert wurde. Danach wurde er im Gefängnis Korydallos in Athen festgehalten, ohne dass er jemals vor Gericht gestellt wurde. Am 19. November 1971 wurde Sartzetakis auf internationalen Druck hin, vor allem seitens Frankreichs, schließlich freigelassen.


Nach der Wiedererrichtung der Demokratie in Griechenland wurde Sartzetakis im September 1974 als Richter wiedereingesetzt. Im Oktober 1982 wurde er Richter am Areopag, dem Obersten Gerichtshof Griechenlands.
Am 29. März 1985 wurde der Parteilose Sartzetakis durch das griechische Parlament auf Vorschlag von Premierminister Andreas Papandreou mit 180 von 300 Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt und am folgenden Tag vereidigt. Er blieb Staatschef Griechenlands bis 1990.

Constantin Costa-Gavras schuf mit „Z“ das erste große Meistwerk des wütenden Politkinos, das stilbildend und genreprägend wirkte, einen atemlos montierten, virtuos fotografierten und gerade in den Massenszenen pulstreibenden Film der zugleich ein hochspannender, völlig mitreißender Politthriller mit Gefahr für die Fingernägel als auch ein ambitionierter arthouse-Film mit assoziativer, radikaler Schnitt-Technik und satirischer Pointierung ist.

Eine wütende, hochemotionale Anklage die Costa-Gavras, unterstützt von einem Top-Ensemble, das auch noch auf seine Gagen verzichten musste, mit der Wucht eines Peitschenhiebes auf die Leinwand bannte, der bis zum heutigen Tage immer noch nachhallt.

„Z“ war 1969 eine filmische Sensation. Er war gewann den Preis der Jury und den Darstellerpreis auf den Filmfestspielen von Cannes, war viermal für den Britischen Filmpreis nominiert, gewann den Edgar Allan Poe Award 1970, wurde in den USA von der National Society of Film Critics, den Filmkritikern von Kansas City und den New Yorker Filmkritikern als Bester Film des Jahres prämiert, gewann den Golden Globe, für den Besten Auslandsfilm.

Außerdem erhielt „Z“ 1970 insgesamt 5 Oscar-Nominierungen: Bester Film des Jahres, Bester Auslandsfilm, Beste Regie, Beste Drehbuchadaption und Bester Schnitt.
„Z“ war das erste Werk der Filmgeschichte das sowohl als Bester Auslandsfilm als auch als Bester Film für den Oscar nominiert wurde.
Er gewann als Bester Auslandsfilm und für den Schnitt von Francoise Bonnot.
Bester Schnitt: https://www.youtube.com/watch?v=GdmwqfeLuyw
Bester Auslandsfilm (entgegengenommen von Jacques Perrin und Ahmed Rachedi): https://www.youtube.com/watch?v=GELDEEgWsCI


Das internationale Aufsehen, dass „Z“ verursachte, versetzte der griechischen Militärdiktatur einen schweren Schlag, da es sie den Ruf kostete und ihr weitreichend die Unterstützung auf diplomatischem Parkett entzog – mit Ausnahme der USA, denn die Nixon Administration unterstützte das Regime, und der SPD/FDP-Regierung (und CDU/CSU Opposition) in Deutschland. Aber viele andere Staaten wendeten sich ab und verweigerten die Kooperation.

Nach einem Putschversuch zur Machtübernahme auch auf Zypern 1974 verlor die angeschlagene Junta endgültig sowohl jede internationale Duldung, als auch die Unterstützung im eigenen Offizierskorps, und wurde zum Rücktritt gezwungen. Das war das Ende des Regimes.


FAZIT: Einer der besten Politthriller der Filmgeschichte, filmemacherisch umwerfend, rasiermesserscharf in der Anklage, der auch nach 51 Jahren immer noch die Kraft hat, sein Publikum völlig zu überwältigen.

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